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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1970/0122
Hugo Lädier

führen könne49. Zur außenpolitischen Verunsicherung kam Bismarcks Sorge vor den
„revolutionären Tendenzen", konkret die Befürd.tung, daß Württemberg und vor
allem der nächst Preußen größte deutsche Staat Bayern zum Kristallisationspunkt
einer parlamentarisch-demokratischen Gegenbewegung gegen das System des Norddeutschen
Bundes werden könnten. Diese Sorge gewann insofern an Gewicht, als
die Opposition der Süddeutschen über mancherlei Kanäle, über die Rheinlande,
Frankfurt, Sachsen, in den Bereich des Norddeutschen Bundes hineinreichte und hier
1870 sowohl das preußische Abgeordnetenhaus wie auch der Norddeutsche Reichstag
neu zu wählen waren. Dabei war abzusehen, daß auch im Norden die oppositionellen
Kräfte verstärkt zurückkehren würden. Zudem war eine der ersten Fragen,
die den neuen Reichstag zu beschäftigen hatten, der 1867 nur provisorisch für
3 Jahre geregelte Wehretat, eine Frage somit, die erneut die Verfassungsfrage zu
stellen geeignet war50, und dies angesichts einer Opposition, deren Topthemen auch
in Norddeutschland die Militarisierung und die freiheitlich unzulängliche Verfassung
waren.

Bis in den Februar 1870 hinein hat nun Bismarck versucht, der Opposition in
Süddeutschland dadurch entgegenzuwirken, daß er sie so wenig wie möglich reizte
und sich im übrigen darauf verließ, daß für Preußen letztlich doch die Zeit arbeite.
Diese vernünftige Haltung wurde nun Bismarck durch die Entwicklung, aber auch
durch seine eigenen Gefolgsleute durchkreuzt. Am 24. Februar beantragte Eduard
Lasker im Reichstag die Aufnahme Badens in den Norddeutschen Bund M. Bismarck
hat schroff abgelehnt, einmal weil er fürchtete, Württemberg und Bayern könnten
den Akt doch noch mit einem Südbund quittieren, zum andern aber auch, weil der
Antrag vom linksliberalen Lasker, dem parlamentarischen Intimfeind Bismarcks,
kam52. Was ihn somit reizte, war, daß der Revolution von oben durch die Revolution
von unten, die er ja reinlich getrennt hatte, Beine gemacht werden sollten.
Dieser Trend war auch daran abzulesen, daß nun bis in die preußische Diplomatie
hinein Bismarck Laschheit vorgeworfen und diese wieder für die Entwicklung in

4* Wiederholt hat Bismarck seine Sorge geäußert, daß Bayern zum Mittelpunkt der „österreichisch-
französisch-ultramontanen Bestrebungen" werden könne. So in einem Schreiben an König Wilhelm
vom 20. Nov. 1869. Ebd. S. 167. In einem Erlaß an Freiherrn von Werthern, Preußens
Gesandten in München, unterstellte er dann seinen »römisch-welfisch-republikanischen Gegnern",
sie hofften, an der bayerischen Frage den Frieden in Europa zum Bruch führen zu können.
Ebd. S. 244 f.

50 U. a. war es die Frankfurter Zeitung, das Organ der süddeutschen Demokratie, die das Interesse
Preußens an der spanischen Thronkandidatur in Zusammenhang mit diesen Fragen brachte. Ob
die Hohenzollern wirklich die Absicht hegten, Nachfolger der Habsburger zu werden, sei dahingestellt
. „Sicher ist, daß man in den leitenden Kreisen Berlins mit Bezug auf die bevorstehenden
Landtags- und Reichstagswahlen eine kleine auswärtige Verwicklung gar nicht übel empfinden
wird." Der Appell an das Nationalgefühl sei ein vorzügliches Mittel, „offizielle Kandidaten
durchzudrücken und Landräte zu Volksvertretern umzustempeln". S. R. Fester: Briefe, Aktenstücke
und Regesten zur Geschichte der Hohenzollernschen Thronkandidatur in Spanien. 2 Bde.,
Leipzig-Berlin 1913. Bd. 2., S. 4 f. Vgl. auch Otto Pflanze: Bismarck and the Development of
German Unification. 1.: The Period of Unification, 1815—1871. Princeton 1963. S. 447.

51 S. Call: Liberalismus. S. 467 ff.

52 Dazu die beiden Reden Bismarcks im Norddeutschen Reichstag, die eine gegen Lasker, die andere
gegen Miquel, der Bismarck vorgeworfen hatte, daß er mit seiner Ablehnung nur die Preußenfeinde
ermutige. Bismarck: Gesammelte Werke Bd. 11. S. 98 ff. Zu Lasker: Veit Valentin:
Bismarck and Lasker. In: Journal of Central European Affairs. Vol. 3 (1943/44) S. 400-415.
Richard W. Dill: Der Parlamentarier Eduard Lasker. Diss. Erlangen 1956.

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