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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1970/0124
Hugo Lädier

eventuell in einen gesamtdeutschen Staat zu ziehen war, ja psychologisch ungemein
geschickt zu pflegen wußte. Bismarck erinnerte weiter an die Situation von 1848,
wo einst Ludwig I. dem Druck der Klerikalen gewichen und an seine Stelle Maximilian
II. getreten war, ein selbstbewußter energischer Monarch, der sich freilich jeder
Nationaleinigung unter preußischen Vorzeichen versagt hatte, so T'ie dies auch vom
präsumptiven Nachfolger Ludwigs II. zu erwarten stand 80. Als weitere „Eventualität
" rechnete Bismarck mit Unruhen, die Ludwig zwingen könnten, um preußische
Hilfe einzukommen, was dann zwangsläufig zu einem europäischen Krieg führen
müßte 61. Ähnlich besorgt zeigte er sich über Württemberg, dessen Regierung er um
dieselbe Zeit militärische Hilfe für den Fall revolutionärer Erhebungen selbst auf
die Gefahr eines Krieges hin in Aussicht stellte82. So spielten die Entwicklung in
Süddeutschland und die damit verbundene Rückwirkung auf Bismarcks ursprüngliche
Absicht, die Dinge „reifen" zu lassen, eine ohne Zweifel wichtige Rolle bei der
Entscheidung, die spanische Frage aufzugreifen, ließ sich doch damit gegen die
eine mögliche „Eventualität", die unter für Preußen denkbar ungünstigen innen-
wie außenpolitischen, nationalen wie ideologischen Vorzeichen gestanden hätte, eine
Eventualität ganz anderer Natur aufbauen, die Konfrontation mit Frankreich bis
zur Hinnahme eines Krieges, wie sie als Auskunftsmittel, als gewiß letztes Auskunftsmittel
, in der deutschen Frage weiterzukommen, ja längst in Bismarcks Kalkül
stand 63. Als etwa 1867 anläßlich eines neuen Einfalls Garibaldis in den Kirchenstaat
der preußische Gesandte in Florenz Bismarck eine Neuauflage der italienischpreußischen
Allianz von 1866, diesmal gegen Frankreich, empfahl, wies ihn Bismarck
zurecht: Gegen Frankreich Krieg zu führen, um ihm den Schutz des Kirchenstaates
zu verbieten, würde die Katholiken aufbringen und Preußen möglicherweise
die Militärverträge mit dem Süden kosten. „Diese neuen Grundlagen deutscher
Gesamteinigung würden dann mutmaßlich auf die Dauer verloren gehen, während

•° „Ich beschwöre Dich, das Schreckliche nicht zu tun", wandte sich Prinz Otto noch am 25. Nov. 1870
an seinen königlichen Bruder, nämlich dem König von Preußen die Kaiserwürde anzubieten und
auf diese Weise Bayerns Unabhängigkeit zu verspielen. Doeberl: Bayern. S. 312. Auch Deuerlein:
Augenzeugenberichte. S. 241.

81 Erlaß an Werthern vom 15. Febr. 1870. Gesammelte Werke Bd. 6b. S. 244.

6S S. O. Becker: Bismarcks Ringen. S. 608.

** E. Kolb dagegen in „Kriegsausbruch" S. 31: „Es gibt nicht ein einziges Indiz dafür, daß Bismarck
im Frühjahr 1870 es als eine vordringliche Aufgabe angesehen hätte, diese Stagnation (in der
deutschen Frage) mit allen Mitteln zu überwinden und etwa durch Erzeugung eines Konflikts
mit Frankreich die Einigungsfrage wieder in Fluß zu bringen. Im Gegenteil. . ." Kolb beurteilt
Bismarcks Aktivität unter dem Gesichtspunkt der „Gesamtsituation", die er in vermeintlicher
Obereinstimmung mit Bismarck jedoch einseitig außenpolitisch sieht. Nun sind aber innen und
außen schon insofern nicht zu trennen, als die äußere Lage ja gerade dadurch ihren Bismarck
beunruhigenden Akzent erhielt, als eine mögliche Allianz gegen den Norddeutschen Bund evtl.
mit Verbündeten in Deutschland rechnen konnte. Folgerichtig mußte es doch wohl auch darum
gehen, diese Mühle zu sperren, d. h. mit dem äußeren Gegner zugleich den inneren zu treffen,
was mit dem Nationalkrieg dann ja auch hervorragend gelungen ist. Vgl. dazu den Aufsatz von
Josef Becker: Der Krieg mit Frankreich als Problem der kleindeutschen Einigungspolitik Bismarcks
1866-1870. In: Das kaiserliche Deutschland. Politik und Gesellschaft 1870-1918. Hrsg. v.
M. Stürmer. Düsseldorf 1970. S. 75-88.

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