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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1970/0125
Süddeutschland und die Reichsgründung

ein direkter Angriff Frankreichs auf Deutschland ohne Beimischung konfessioneller
Fragen die nationale Gemeinschaft befestigen würde." 64

Nun soll hier freilich weniger der Zusammenhang zwischen inneren Implikationen
und einer möglichen Flucht Bismarcks nach außen aufgehellt, als vielmehr auf
den Effekt des Krieges nach innen verwiesen werden. Und da haben der Nationalkrieg
, die spektakulären Siege und der mit Sedan aufflammende Nationalismus in
der Tat Bismarcks Kalkül ebenso bestätigt wie die Befürchtungen der Opposition.
Wir wären wahnsinnig, hieß es 1868 in einer Verlautbarung der Patrioten, wenn
wir diesen Krieg herbeisehnten, denn er würde das nationalliberale Feuer, das am
Verglimmen sei, erneut zu einer Lohe anfachen und dies dann die „Katastrophe"
herbeiführen *5. Diese wurde dann freilich weniger darin gesehen, daß der Krieg
zum nationalen Einigungskrieg geworden war, als vielmehr, daß er den Weg zur
sozialen Integration im Sinne der norddeutschen Bundesverfassung und der sie
tragenden Kräfte, nach der Augsburger Postzeitung den Weg zum „Staat der
reaktionären Veillitäten" nach dem „Beobachter", dem Blatt der schwäbischen
Demokratie, zur „halbfeudalen Militärmonarchie" 47 freigelegt hatte. Daß dies geschehen
konnte, lag neben der Wirkung des Waffenganges freilich auch an jenen
Kräften in Süddeutschland, die ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen, ihrer gesellschaftlichen
und verfassungsrechtlichen Stellung wegen diesen Prozeß wollten
oder, wie die Fürsten, sich ihm nun fügten. Nicht zu übersehen sind freilich auch
die Schwächen der Opposition.

Mit dem Rückzug auf die Notlösung der vornationalen Ordnung hatten sich
die Demokraten, in deren Doktrin ja Nationalsouveränität und Volkssouveränität
eins sein sollten, auf eine Ebene begeben, die der Nationalkrieg zur Kippe machte.
Gerade ihre mittelständische Anhängerschaft lief nun in Massen über und machte
Macht und Glanz des neuen Staates zum Demokratieersatz. Als ihre größte Fehlkalkulation
sollte sich jedoch die Hoffnung herausstellen, sie könnten den fürstlichen
Partikularismus zum Verbündeten gegen die Verpreußung gewinnen und dann gemeinsam
mit demokratisch gesinnten Fürsten von Süddeutschland her ein Deutschland
nach ihren Vorstellungen erzwingen. Die Fürsten, spottete sie deshalb schon
1865 der Darmstädter Radikaldemokrat Ludwig Büchner aus, würden sich lieber
von den Großmächten mediatisieren lassen als ein Bündnis mit den demokratischen
Volksmassen eingehen *8. Die Übertreibung traf die fürstliche Mentalität ebenso,
wie dann Liebknechts Beurteilung der Reichsverfassung als einer „fürstlichen Versicherunganstalt
gegen die Demokratie" nicht eben daneben lag". Max Weber

64 Erlaß an Graf Guido von Usedom vom 21. Okt. 1867. Bismarck: Gesammelte Werke Bd. 6a. S. 86.

Ahnliche Äußerungen finden sich dann bis 1870.
85 Niedermayer: Kath. Bewegung. Jg. 1968. S. 317.
66 So am 17. Jan. 1871. S. Frisch: Einigung. S. 125.
87 Runge: Volkspartei. S. 178.

68 S. Rolf Weber: Kleinbürgerliche Demokraten in der deutschen Einigungsbewegung 1863—1866.
Berlin 1962. S. 224.

69 Am 9. Dez. 1870 im Norddeutschen Reichstag. S. Verhandlungen des Reichstags des Norddt.
Bundes. 2. Außerordentl. Sess. 1870. S. 154.

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