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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1970/0128
Hugo Lädier

sie könnten sich revolutionär durchsetzen. Sie sind gescheitert am Bund der Fürsten,
der preußischen Armee und eines revolutionsscheuen Bürgertums. Um 1870 war
diese Konstellation für die Demokraten noch weit hoffnungsloser, zu erkennen
schon daran, daß kaum einer noch der Revolution das Wort redete und sie auch die
Sozialisten in die Zukunft des ökonomisch richtigen Zeitpunkts verlegten. Ganz
klar, die stärkeren Bataillone standen eindeutig auf der anderen Seite, dies umso
mehr, als diese auch den die Zeit beherrschenden Nationalstaatsgedanken und jene
Logik für sich hatten, die mit einer gewissen Zwangsläufigkeit nach der schon weit
gediehenen wirtschaftlichen Integration auch nach der politischen drängte, Dinge,
die ja gerade die Demokratie in manche Verlegenheit brachten. Nach vorne gesehen,
waren es im großen ganzen die Kräfte, die sich einmal zur Weimarer Koalition zusammenfinden
sollten. Diese war eine stets labile und ohne langen Bestand. Gescheitert
ist sie im wesentlichen am gegenseitigen Mißtrauen, einseitigen Interessen-
bindungen und eingefressenen weltanschaulich-ideologischen Vordersätzen, die das
Bedürfnis, den durch die Niederlage geschockten Staat Bismarcks auf eine glaubhafte
demokratisch-parlamentarische Grundlage zu stellen, immer wieder unterliefen
. Und eben dieses Differenzierungsbedürfnis zeichnete die oppositionellen
Kräfte schon um 1870 aus. Charakteristisch etwa die Trennung der proletarischen
Demokratie von der kleinbürgerlichen charakteristisch aber auch, welche Wirkung
Klerikalismus und Antiklerikalismus, im weiteren Sinn der Konfessionalismus
auf die Parteienprofilierung hatten. In Württemberg etwa beherrschte bis 1870 ein
freisinnig-demokratischer Katholizismus die politische Szenerie. Es stellte auch die
katholische Bevölkerung einen wesentlichen Teil des demokratischen Fußvolks, und
die Landtagswahlen vom Dezember 1870 warfen die schwäbische Demokratie dann
ohnehin sehr stark auf die neuwürttembergischen, vorwiegend katholischen Landesteile
zurück 80. Trotzdem war auch da das gegenseitige Mißtrauen schon so groß,
daß einer der profiliertesten Köpfe der schwäbischen Demokratie, Rudolf Probst,
1870 zum Mitbegründer des Zentrums wurde, daß dann überhaupt wesentliche
Teile des demokratischen Potentials, das schon von seiner sozialen Stellung her zur
Demokratie tendierte, in eine Partei des verfassungspolitischen Opportunismus abgedrängt
wurden.

Auf diese Weise haben sich die oppositionellen Kräfte selbst auseinanderdividiert
und zugleich mit dem, was sie gegeneinander hatten, den Herrschaftsparteien das
Mittel in die Hand gegeben, diese Gegensätze auszunutzen, sie gegeneinander auszuspielen
oder auch wechselweise die eine Gruppe gegen die andere in das System
hereinzunehmen, bis sie dieses schließlich selber bis weit in die Reihen der Sozialdemokratie
hinein insofern schätzen lernten, als es auf der einen Seite Teilhabe an
der Macht anbot, auf der anderen aber auch davor bewahrte, unter die Räder einer
von gegensätzlichen Kräften getragenen Parlamentsregierung zu kommen M.

78 Wesentlich immer noch Gustav Mayer: Die Trennung der proletarischen von der bürgerlichen
Demokratie in Deutschland, 1863—1870. In: Archiv für die Geschichte des Sozialismus und der
Arbeiterbewegung Bd. 2 (1912). Aufgen. in: Mayer. Radikalismus, Sozialismus und bürgerliche
Demokratie. Hrsg. v. H.-U. Wehler. Frankfurt. 1969. S. 108-178.

80 Runge: Volkspartei. S. 172. (

81 Dazu Dieter Grosser: Vom monarchischen Konstitutionalismus zur parlamentarischen Demokratie.
Die Verfassungspolitik der deutschen Parteien im letzten Jahrzehnt des Kaiserreiches. Den Haag

1970.

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