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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1970/0246
Neues Schrifttum

Uberlingen erst 1562 vollendet. Auch in anderen Gegenden läßt sich recht lebensvolle
Gotik noch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nachweisen, z. B. die sogenannte
Echtergotik2 in den würzburgischen Gebieten). Knoepfii bezieht daher das gesamte
16. Jahrhundert noch in den zu behandelnden Zeitraum ein und setzt die Zäsur erst zu
Beginn des 17. Jahrhunderts, also in die Zeit des Frühbarocks, als mit dem Dreißigjährigen
Krieg ohnehin ein äußerst gravierender und umfassender Einschnitt gegeben ist.

Das Buch gliedert sich in die Hauptteile 1. Einführung in Geistesgeschichte und Stil,
2. Sakrale Baukunst, 3. Profane Baukunst.

In seinen einleitenden Kapiteln gibt Knoepfii einen großangelegten Überblick über die
politischen und wirtschaftlichen Veränderungen des 15. und 16. Jahrhunderts, die bestimmt
sind vom Vorrücken der Eidgenossenschaft an Rhein und Bodensee und von der Verlagerung
der Handelswege. Knoepfii kann aber den Nachweis führen, daß trotz der politischen
und konfessionellen Spaltung die kulturelle Einheit des Bodenseegebietes gewahrt blieb und
daß dem allgemeinen Rückgang, vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet, kein künstlerischer
Niedergang entspricht. Eingehend werden die große kulturelle Bedeutung des Konstanzer
Konzils besprochen und die künstlerischen Einflüsse aus Ulm, Frankreich, Burgund, den
Niederlanden und Italien, die auf das Bodenseegebiet eingewirkt haben. (Wir finden hier
auch ein Kapitel „Dürer und das Bodenseegebiet".) Aber dem Nehmen entspricht andererseits
ein vielfältiges Geben, das einerseits eine Folge der Abwanderung bedeutender Meister
in andere Landschaften ist (z. B. Stephan Lochner, vermutlich aus Meersburg, nach Köln),
andererseits im Export spätgotischer Schnitzaltäre nach Graubünden und ins Tessin besteht
und nicht zuletzt in der Tätigkeit deutscher Meister in Oberitalien, sogar noch im Zeitalter
der italienischen Renaissance, die selbst nur langsam nördlich der Alpen Fuß fassen,
die späteste Gotik aber nie völlig überwinden und ersetzen konnte.

Dem der sakralen Baukunst gewidmeten zweiten Hauptteil stellt der Verfasser ein
allgemeines Kapitel über das Wesen des gotischen Kirchen- und Klosterbaus voran, in dem
unter anderem Grundriß, Maßwerk, Gewölbe, Lettner, Turmlösungen, Bauhüttenbetrieb
und Baugeometrie, Steinmetzzeichen sowie die für das Bodenseegebiet maßgeblichen Baumeister
behandelt werden. Welche Fülle an spätgotischen Bauten dieses Gebiet, auch in abgelegenen
Gemeinden, noch heute aufzuweisen hat, bezeugen dann die folgenden nach Sachgruppen
wie „Hallenkirche und Staffelhalle; Ordensbauten; Gotteshäuser zu Stadt und
Land" geordneten Kapitel. Eingehend befaßt sich der Verfasser auch mit den gotischen Gewölben
und der Bauplastik, mit Wandtabernakeln und Sakramentshäusern, Altären, Chor-
gestühlen und Sakristeischränken. Da er Architektur in weitestem Sinne versteht *, bezieht
er auch die mit architektonischen Mitteln gestaltete „Kleinkunst" in seine Betrachtungen
ein, d. h. Monstranzen und Rauchfässer, Ziborien und Kelche, Kreuze und Reliquiare,
Glocken und Leuchter.

Bei der übergroßen Stoffülle ist es verständlich, daß Verfasser und Verlag sich dazu
entschlossen haben, Plastik und Malerei einem gesonderten Band zuzuweisen. Da es zudem
unmöglich ist, im laufenden Text alles lückenlos zu behandeln, werden mehrfach chronologisch
angelegte tabellarische Verzeichnisse eingeschaltet, z. B. Verzeichnisse der süddeutschen
Schnitzaltäre in Graubünden und im Tessin, der spätgotischen Sakramentsnischen und
-häuschen, der führenden Goldschmiede, der wichtigeren Gießerhütten. So wird weitgehend
Vollständigkeit erreicht, ohne daß die Übersichtlichkeit darunter leidet.

* So bezeichnet man stilistisch die während der Regierungszeit des Würzburger Fürstbischofs Julius
Echter von Mespelbrunn (1573—1617) in Mainfranken errichteten gotischen Kirchen.

s Mit Recht sagt er S. 11: „Ich sehe einfach nicht ein, weswegen in der kunsthistorischen Hierarchie
eine zur Unkenntlichkeit verwitterte gotische Turmnadel ranghöher steht als eine meisterhaft gearbeitete
gotische Turmmonstranz, die im Figürlichen wie im Ornamentalen ihre Qualität und ihre
Werkstattfrische und scharfe Ziselierung bewahrt hat."

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