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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1970/0252
Neues Schrifttum

Paul Levi ist 1883 als jüngstes von vier Geschwistern geboren. Aus einer jüdisch-bürgerlichen
Familie stammend — der Vater war Webereibesitzer —, wurde er schon früh auf das
Gymnasium in Stuttgart geschickt. Sein weiterer Studienweg führte ihn unter anderem nach
Frankreich, einem Land, dem er dann zeitlebens verbunden blieb. In Heidelberg zum Dr.
jur. promoviert, ließ er sich zunächst als Rechtsanwalt in Frankfurt nieder, 1923 in derselben
Eigenschaft in Berlin, wo er zum bekanntesten politischen Strafverteidiger der Weimarer
Zeit werden sollte.

Zum Juristen gesellte sich der Politiker. Schon als Gymnasiast wandte sich der begüterte
Bürgerssohn dem Sozialismus zu. Eines der treibenden Motive war offensichtlich ein
früh entwickelter, nicht zuletzt jüdischem Erbe entstammender Gerechtigkeitssinn, der dann
auch dem Juristen das Gepräge gab. Für seine politische Entwicklung bedeutungsvoll wurde
seine Bekanntschaft mit Rosa Luxemburg, die 1913 den schon bekannten Anwalt zu einem
ihrer Verteidiger in einem gegen sie wegen antimilitaristischer Äußerungen angestrengten
Strafverfahren wählte. Im bald darauf ausbrechenden Weltkrieg wurde auch Levi, obwohl
wie sein hochverehrtes Vorbild Pazifist, zu einem Landwehrregiment eingezogen. Ende
1916 wegen eines Magenleidens entlassen, fand er die Zeit, die bereits geknüpften Beziehungen
zu den Sozialisten, die sich in der Schweiz, in der „Zimmerwalder Linken", um Lenin
gesammelt hatten, intensiver zu pflegen. Bald zum inneren Kreis gehörend, wurde er unter
anderem Zeuge der Abfahrt Lenins im berühmten „plombierten Wagen", den die deutsche
Heeresleitung dem russischen Revolutionär zur Fahrt durch Deutschland nach Rußland zur
Verfügung gestellt hatte. In Deutschland selber war Levi engster Mitarbeiter Karl Liebknechts
und Rosa Luxemburgs, beteiligt auch an den Spartakusbriefen und als einer der führenden
Köpfe der Spartakisten dann auch an der Gründung der Kommunistischen Partei
Deutschlands. Den „Spartakusaufstand", dem er ebenso skeptisch gegenüberstand wie Liebknecht
und Luxemburg, erlebte er teilweise im Gefängnis, so daß ihm das Schicksal seiner
beiden Kampfgefährten erspart blieb. Als wenige Monate später auch noch Leo Jogiches ermordet
wurde, übernahm Levi die Führung der Partei. Als ihr Abgeordneter zog er 1920 zusammen
mit Clara Zetkin zudem in den Reichstag ein. Mit diesen Ämtern begann freilich
auch der politische Leidensweg des betonten Individualisten und erklärten Intellektuellen.
Levi mußte bald zur Kenntnis nehmen, daß die KPD in einer Weise von Moskau und der
Komintern an die Zügel genommen wurde, daß aus ihr nicht werden konnte, was ihm in
der Nachfolge Rosa Luxemburgs vorschwebte: eine eigenständige, breite proletarisch-revolutionäre
Massenpartei auf der Grundlage eines marxistisch-freiheitlichen Sozialismus und
nicht eine von außen gelenkte Kaderpartei. Der Riß vertiefte sich, als sich Levi anläßlich
der Aufstände in Mitteldeutschland auch gegen die „revolutionäre Psychopathie" der Berufsrevolutionäre
wandte, die ohne Rücksicht auf Verluste und ohne erkennbare Aussicht auf
Erfolg, nur um der „Stimmung" willen, Fähnlein auf Fähnlein auf die Barrikaden trieben.
Mit seiner Schrift „Unser Weg. Wider den Putschismus" provozierte er denn auch bereits
1921 seinen Ausschluß aus der KPD. Vorübergehend sich auf die von ihm ins Leben gerufene
„Kommunistische Arbeitsgemeinschaft" mit der Zeitschrift „Unser Weg" beschränkend,
fand er 1922 mit den Unabhängigen Sozialdemokraten den Weg in die Sozialdemokratische
Partei zurück. Freilich brachte er auch in diese seine eigene politische Zielsetzung mit, in der
SPD die „revolutionären Prinzipien" wachzuhalten und sie nicht einer „blöden Staatsmännerei
", der Mitarbeit an bürgerlich geführten Regierungen, zu opfern. Auf dieser
Grundlage wurde Levi zum führenden Kopf der linksradikalen Opposition innerhalb der
SPD selber, die in der Zeitschrift „Sozialistische Politik und Wirtschaft", kurz „Levi-Korre-
spondenz" genannt, auch ihr eigenes Organ unterhielt. Ihre erklärte Absicht war es, die
SPD als die „geborene Oppositionspartei" aus dem „Lotterbett der Koalition" herauszuhalten
, wo sie lediglich Gefahr laufe, ihr revolutionäres Ethos und Pathos zu verlieren und
mit ihm die Arbeiter, entweder nach links an die Kommunisten oder aber über die „antikapitalistische
Sehnsucht der Massen" auch an die sich wenigstens in Teilen Sozialrevolutionär
gebärdende Hitlerpartei. Es ist verständlich, daß die von Levi betont festgehaltene
marxistisch-revolutionäre Profilierung der SPD ihn auch innerhalb einer Partei, die sich

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