Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1976/0103
WOLFRAM NOESKE

Die kunstgeschichtliche Bedeutung von St. Luzen
und die Prinzipien der Gesamtrenovation*

Wenn eine Schule, ein Krankenhaus, eine Fabrikanlage Abnützungserscheinungen
aufweisen und instandgesetzt werden müssen, dann ist alles relativ einfach.
Man wird die Schäden so zweckmäßig wie möglich beseitigen und im Zuge der
Arbeiten so viel wie möglich an die Anforderungen von Morgen denken, man
wird Altes und Überholtes entfernen und Neues an ihre Stelle setzen - kurzum
man kann unbedenklich modernisieren.

Ist dies Verfahren auch zulässig, wenn es sich um die Erneuerung eines Kunstwerkes
, z. B. wie in St. Luzen um die Renovierung einer alten Kirche handelt?

Man wird spontan antworten: Nein! Denn hier tut sich eine weitere Dimension
auf, die zu beachten ist, nämlich die Dimension der Vergangenheit, der Tradition
.

Tradition heißt Herübernahme, Herüberreichung. Das heißt, es ist uns etwas
übergeben worden aus unserer Vergangenheit, mit dem wir nicht nur nach unserem
Belieben und Gutdünken, nicht nur nach unseren Maßstäben und zeitgemäßen
Urteilen verfahren dürfen. Vergangenheit bedeutet in einer Gemeinde ja nicht etwas
Nebelhaftes, Unklares oder Unbestimmtes, sondern ganz eindeutig Vorfahren
. Vorfahren der heutigen Gemeinde haben einst diese Kirche gebaut, sicher unter
persönlichem Einsatz und unter erheblichen Opfern, aber mit dem Ziel, eine
gemeinsame Stätte sich zu errichten, eine bauliche Mitte als Maßstab für das Gemeinwesen
und eine geistige Mitte als fraglose und sichere Instanz in allen Bereichen
.

Dürfen wir nun annehmen, daß das alles heute noch selbstverständlich ist, was
ehemals gegolten hat? Gewiß nicht! Es ist ein ausgeprägter Zug unserer Zeit, kritisch
zu sein, zu überprüfen und in Frage zu stellen. So kommt es auch hier zu der
Frage: Soll und darf man öffentliche Gelder der Gemeinde, der Kirche, des Staates
einsetzen, um einen Zustand wiederherzustellen, der der Vergangenheit angehört
? Man hätte vielleicht mit dem gleichen finanziellen Aufwand einen
Allzweckgemeindesaal erstellen können, in welchem außer dem Gottesdienst die
verschiedensten Nutzungen hätten stattfinden können. Es gibt Stimmen, die so
argumentieren und die meinen, daß die Anforderungen des heutigen Lebens so
andersartig seien als ehemals und daß die Not in der Welt so groß sei, daß man ihr
jeden Pfennig widmen müsse. Das sind Einwände, über die man nicht gleichgültig
hinwegsehen kann.

* Vortrag bei der Instandsetzungsfeier am 25. Oktober 1975.

99


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1976/0103