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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1976/0104
Noeske

Man kann sicher aber auch anders entscheiden. Man kann sich ganz bewußt
und sichtbar an Vergangenheit und Überlieferung anschließen, wie es hier die
St. Luzen-Gemeinde getan hat. Sie ist ohne Zögern diesen Weg gegangen, dessen
Rechtfertigung Oskar Heck in seinem ersten Aufruf zur Rettung von St. Luzen in
den schönen Satz gefaßt hatte: „St. Luzen wird von den Bürgern Hechingens geliebt
und verehrt, und wir kennen keinen, der es über sich brächte, uninteressiert
und unbeteiligt dem künftigen Geschehen in dieser Kirche zuzusehen." Man hat
sich bei dieser Instandsetzung bemüht, Überliefertes zu übernehmen und Verbliebenes
herüberzuretten, nicht um den Weg in die Vergangenheit anzutreten, sondern
um sich und anderen bewußt zu machen, woher diese Kirche kommt, wieviel
Generationen an ihr gewirkt haben, welche Wandlungen sie überstanden hat zu
immer neuem Leben. Diese alte Kirche will darum in unserem Alltag stehen, sie
will sogar manchem im Wege stehen. Sie will in ihrer alten Form an den alten
Anspruch erinnern, der dem Gemeinwohl dient, nämlich verpflichtender Ort zu
sein für die gemeinsame Überprüfung des täglichen Miteinanderlebens, ein Ort,
der unseren Blick frei macht auf das Unvergängliche, das jenseits aller Konsumsorgen
und Alltagsbeschwerden liegt.

Dieses Unvergängliche hat mancherlei Gesichter und kann gerade in der Gestalt
einer alten Kirche zum Ausdruck kommen. Wir können nicht so tun, als seien wir
ein Anfang, ein noch nie Dagewesenes. Wir alle sind Söhne und Töchter, so wie
wir auch Väter und Mütter sind oder sein werden, Glieder der Kette, die gefügt
ist vom Vergangenen und die das Kommende bereits bindet.

Die Renovierung einer Kirche ist für eine Gemeinde solch ein Akt der Be-
wußtmachung, des zu sich Findens. Gleichzeitig aber und mit nicht minderem Anspruch
wird die Renovierung auch ein Impuls sein, dem Vergangenen das Heutige
hinzuzufügen, das Gewachsene zu behalten und das Werdende nicht auszuschließen
.

Doch Obacht! Es ist soviel von Fortschritt die Rede, und niemand wird die
teuer erkauften Gewinne in Technik und Zivilisation leugnen wollen. Haben sie
uns aber auch freier gemacht und glücklicher oder sogar unabhängiger? Der
Mensch holt immer wieder den Menschen ein, und in den alten Mauern dieser
Kirche werden die gleichen Fragen, die gleichen Nöte, Hoffnungen und Verheißungen
erscheinen, die schon die Vorfahren bewegten. Es kann also auch hierbei
die vertraute, die überlieferte Kirche uns helfen, unsere eigene Spanne Zeit im
rechten Verhältnis zu sehen.

Diese „eigene Spanne Zeit" läßt uns erkennen, welch ganz anderes zeitliches
Maß der ummauerte Ort, dessen geglückte Instandsetzung jetzt zu feiern ist, für
sich in Anspruch nimmt. Diese Gegenüberstellung läßt uns überdies einsehen,
welch unterschiedlicher Wert zwischen dem Neubau einer Kirche und dem Weiterbestand
einer alten Kirche für das Selbstverständnis einer in Generationen gewachsenen
Gemeinde besteht. Was bei einer neu erbauten Kirche erst langsam heranwachsen
kann, ist bei der alten überlieferten Kirche seit eh und je vorhanden:
Das Gewohntsein aneinander, das Vertrautsein miteinander und die Hilfe füreinander
.

Der Platz, auf dem die Kirche St. Luzen steht, ist für die kirchliche Geschichte
Hechingens nicht ohne Bedeutung. Hier hatte sich bereits vor 1328 die erste
Pfarrkirche des Ortes befunden. Mit dem Neubau der Jakobuskirche in der Oberstadt
im Jahre 1488 geriet die St. Luzenkirche in Vernachlässigung. Der Hohen-

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