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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1976/0128
Müller

pelle galt und noch gilt, sondern es verlangte auch das damals moderne, sprich barocke
, Empfinden nach einer Neugestaltung der Kirche. Unter Verwendung von
Teilen der früheren Altäre wurden zunächst 1702 die Seitenaltäre, dann 1743 der
Hochaltar umgestaltet und die ganze Kirche in ein helles Weiß eingefärbt. Daß
aber der hiesige Konvent nicht nur im künstlerischen Bereich mit der Zeit ging,
sondern auch im Gebrauch religiöser Verkündigung, ist bestens zu belegen. Seit
der Stigmatisation des hl. Franz ist seinem Orden die Andacht zum Leiden Christi
besonders am Herzen gelegen. Den Franziskanern hat man darum auch die Betreuung
der Grabeskirche in Jerusalem anvertraut, soweit sich römischkatholische
Christen daran beteiligen können. Franziskaner haben von jeher die Jerusalempilger
betend über die via dolorosa geführt. Begreiflich, daß man, zunächst in verschiedener
Gruppierung der Stationen, auch bei uns zuhause diesen Weg abzuschreiten
begehrte. Vielleicht sind die sieben Stationen, die auf dem Merianstich
von Hechingen auf dem Weg nach St. Luzen zu sehen sind, auch schon solche
Kreuzwegstationen früherer Art. Allmählich wurde es üblich, in vierzehn Stationen
den Leidensweg Christi von der Verurteilung bis zur Grablegung betrachtend
zu verfolgen. Anfang des 18. Jahrhunderts war es der heiligmäßige Franziskaner
Leonard von Porto Maurizio, der unermüdlich die Kreuzwegandacht in dieser
Form propagierte und predigte. 1731 hat Rom eben dieses offiziell gebilligt und
mit Ablässen das Beten des Kreuzwegs versehen, als sofort in St. Luzen auf dem
Weg zur Kirche Stationen errichtet wurden. Sie erfuhren 1766 eine Erneuerung.
1733 wurde der Kalvarienberg als Krönung des Ganzen eingeweiht und 1755 mit
einer mächtigen Kreuzigungsgruppe geschmückt. Wir sind im Grunde arme, hilflose
Geschöpfe, wenn wir solche Zeugnisse tiefer Frömmigkeit mit halb neugierigen,
halb ästhetischen Blicken streifen und uns nicht vergegenwärtigen, welch ein Anruf
zur Versenkung in den bitteren Leidensweg Christi von ihnen ausgeht und
welche Aufforderung, sich mit seinem Geiste zu einen. Besonders der Karfreitag
war hier ein großer Wallfahrtstag zum Leiden Christi, so eindrucksvoll, daß sogar
aus den benachbarten protestantischen Dörfern nicht wenige herbeieilten, um der
Botschaft vom Leiden des Erlösers zu begegnen. Diese Gewohnheit hielt sich bis in
unser Jahrhundert. Daß auch hier jeweils der erste Sonntag im Monat als „Mo-
natssonntag", als Bruderschaftstag der sogenannten Gürtelbruderschaft, mit eucha-
ristischer Prozession und Empfang der heiligen Sakramente begangen wurde,
gehört zu den Selbstverständlichkeiten barocker Frömmigkeit. Dem hl. Franz haben
wir die erste Weihnachtskrippe zu verdanken; begreiflich, daß man auch hier
diesen Brauch so anschaulicher Begegnung mit den Schilderungen des Evangeliums
gerne übte. Viele werden noch die Auswirkung dieser Übung in Erinnerung haben,
die in dem liebevollen Krippenbau des unvergeßlichen St. Luzenmesners Ströbele
sich bis in unsere Zeit hinein erstreckte.

Aus der klosterfeindlichen Haltung der Aufklärung heraus hat die Säkularisation
der napoleonischen Zeit dem ganzen monastischen Leben ein gewaltsames
Ende bereitet. Das Kloster St. Luzen wurde 1808 als erloschen erklärt, der Letzte
der Patres starb hier 1819, der Letzte der Brüder, noch an der Kirche als Mesner
tätig, erst 1857. Bei der Säkularisation hat man die Bibliothek, die in ihrem nicht
geringen Umfang ein schönes Zeugnis für das geistige Leben des Konventes abgibt,
in die Kapitelsbibliothek der katholischen Geistlichkeit des Dekanates Hechingen
überführt und sie so im Sinne des damals amtierenden Konstanzer Generalvikars
Freiherr von Wessenberg der Benutzung durch die Pfarrer zugänglich gemacht.

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