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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1976/0191
Alfons Bilharz

kulturhistorisch interessant, knapp und klar geschrieben und von starker menschlicher
Empfindung getragen sind. Später konnte er eine auch in der Thematik stark
erweiterte deutsche Fassung in einer führenden medizinischen Zeitschrift veröffentlichen
.

Der junge Doktor folgte nun Theodors Einladung nach Kairo und verbrachte
dort und in Ägypten reisend sieben herrliche Monate, über die er 1914 in einem
schönen Aufsatz aus dem Gedächtnis berichtet hat. Er schloß mit den Worten:
„Ich betrat wieder das Land (nämlich Europa) in der vollen Überzeugung, daß
der schönste Teil meines Lebens hinter mir liege, und so war es auch. Das Schönste
aber lag ohne Zweifel in dem Zusammensein mit meinem Bruder Theodor."

Dann kam das ärztliche Staatsexamen in Berlin 1861, und Theodor war bereit,
Alfons finanziell so zu unterstützen, daß er die Universitätslaufbahn anstreben
konnte. Zu weiteren Studien ging dieser daher in des großen Du-Bois Reymond
physiologisches Laboratorium. Dort untersuchte man das Verhalten von Nerven
gegenüber elektrischen Strömen, und es gelang Bilharz bald, einen Fehler in der
bisherigen Theorie zu vermuten und experimentell nachzuweisen. Die sich ergebende
richtige Kurve dieser Abhängigkeit stimmte mit einer an einer gewöhnlichen
Waage beobachtbaren mechanischen Abhängigkeit so gut überein, daß Bilharz
daraus in kühnem Analogieschluß eine Art Weltgesetz herauslas, das erlauben
könnte, die dreidimensionale schwere Materie aus der gleichfalls in gewisser
Weise dreidimensionalen elektrischen Kraft zu definieren. Eine Revolution der
ganzen theoretischen Physik könne das einleiten. Etwa solche, kühne, freilich allzu
allgemeine Pläne brachte er mit, als er dann zu nun mehr physikalischen Studien
in das Laboratorium des berühmten Physikers Kirchhoff in Heidelberg eintrat.
Dort dürfte ihm die Schwierigkeit der angedeuteten Aufgabe klarer geworden
sein. Vielleicht hat er auch erfahren, daß seine mathematische Bildung für die
theoretische Physik keinesfalls ausreichen konnte.

Aber wie dem auch sei, es war sowieso alles zu Ende. Am 9. Mai starb sein
Bruder Theodor in Ägypten, und damit war Alfons plötzlich ohne finanziellen
Rückhalt. Er mußte die Pläne für eine akademische Laufbahn aufgeben.

Den etwas Ratlosen erreichte da der Brief eines Studienfreundes, der inzwischen
in St. Louis in den Vereinigten Staaten praktischer Arzt geworden war und
sich zur Kur in Karlsbad aufhielt. Er traf sich mit Bilharz in Berlin und überredete
ihn, auch auszuwandern.

Am 1. März 1865 traf dieser in New York ein, und bald praktizierte auch er
in St. Louis und Umgebung. Er heiratete am 2. November 1869 eine junge
Schweizerin. Kindersegen ließ die Familie anwachsen. Seine kühnen physikalischen
Spekulationen waren fast vergessen, er war auf dem besten Wege, ein tüchtiger
und zufriedener praktischer Arzt zu werden, da sprang die wissenschaftliche
Ader bei ihm, der inzwischen das sprichwörtliche Schwabenalter von 40 Jahren
erreicht hatte, dramatisch wieder auf, aber nun in einer neuen Weise, nämlich als
Philosophie.

Mit Philosophie war er natürlich zuvor schon etwas in Berührung gekommen,
aber es hatte nicht recht gezündet. Die „Kritik der reinen Vernunft" hatte er zu
lesen versucht, sie aber bald als unverstehbar beiseite gelegt. Irgendwie aber dürfte
zumindest die dort zu Beginn, in der „Transzendentalen Ästhetik" dargelegte
Lehre von Raum und Zeit als bloßen Formen unserer Sinnlichkeit und das damit
erschütterte naive Realitätsbewußtsein ihn weiter beunruhigt haben, bis plötzlich,

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