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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1976/0238
Neues Schrifttum

religiöse, soziale und ökonomische Wechselbeziehungen zwischen Stadtgesellschaft und
Kirche nicht prägnant und problembewußt thematisiert und dargestellt werden.

Der Verfasser fragt z. B. nicht nach standesspezifischen Formen spätmittelalterlicher
Religiosität oder deren Bedeutung als politische und gesellschaftspolitische Rechtfertigungslehre
. Die Arbeit enthält keinen Hinweis auf die auch in Ulm vorhandene Ratskapelle
(vgl. H. Maurer: Die Ratskapelle. Festschrift H. Heimpel. Bd. 2. Göttingen 1972,
227), in der sich religiöse Bedürfnisse der städtischen Führungsschicht förmlich zu einer
Institution verdichtet haben. Nicht behandelt wird auch das in Ulmer Urkunden vielfach
bezeugte Phänomen des „Rentenkaufes", einer Rechts- und Geschäftsform, deren sich
Klöster bedienten, um einerseits ihren eigenen Kreditbedarf zu decken und andererseits
das Sicherheits- und Versorgungsbedürfnis begüterter Laien zu befriedigen. (Der „Rentenkauf
" oder „Leibrentenvertrag" verpflichtete die jeweiligen Klöster zur Leistung einer lebenslänglichen
Rente gegen Empfang einer einmaligen in Geld bestehenden Gegenleistung.)
In den Beschwerdeartikeln der Ulmer Zünfte aus dem Jahre 1513 heißt es lapidar: „Der
Mißbrauch, die Sammlung nur mit Personen aus den Geschlechtern zu besetzen, sollte abgestellt
werden." Die „Sammlung" (= Klosterfrauen der dritten Regel des hl. Franz) wird
zwar vom Verfasser eingehend behandelt, nicht aber dieser Quellenbeleg, der deutlich
macht, wie sehr klösterliche Einrichtungen zum Zankapfel rivalisierender sozialer Gruppen
werden konnten. Wenn der Autor bei der Charakterisierung der „Zustände in den
Klöstern" einer Auffassung das Wort redet, wonach „die Gebrechen der Klosterinsassen
... nicht auf moralischem, sondern disziplinärem Gebiete lagen", ist er sich der Fragwürdigkeit
einer solchen Unterscheidung nicht deutlich genug bewußt geworden. Mönchstheologen
des Spätmittelalters haben es entschieden abgelehnt, den „homo interior" vom
„homo exterior" zu trennen. Nur eine strenge Beobachtung der Regel (observantia regula-
ris) eröffnete nach ihrer Auffassung die „via salutis"; nur Regeltreue verbürgte sittliche
Vollkommenheit, Christusnachfolge und Gottesliebe.

Das Urteil über Dr. Ulrich Krafft und seine Stellung in der Reformgeschichte Ulms
ist reichlich pauschal geraten. Eine eingehende theologiegeschichtliche Exegese von Kraffts
literarischer Hinterlassenschaft hätte unstreitig genauere Aussagen ermöglicht.

Was die literarische Tätigkeit des Ulmer Arztes Johannes Stocker anbetrifft, bleibt
auch auf ein heute in der Bayerischen Staatsbibliothek München für Graf Eberhard im
Bart von Württemberg geschriebenes „Regimen sanitatis" (Cgm. 939) hinzuweisen. S. 178
muß es wohl grammatikalisch korrekt „ob id ludas" (nicht ab id ludas) heißen. Für eine
Biographie des in der Arbeit wiederholt erwähnten Klerikers und Notars Hieronymus
Winckelhofer könnten dem Aufsatz von Hansmartin Schwarzmaier über „Die Anfänge
der Ehinger Spitalverwaltung", in: Ulm und Oberschwaben 38 (1967) 91 noch genauere
Daten und Aufschlüsse entnommen werden.

Dessen ungeachtet ist es dem Autor durch seine engagiert betriebenen Studien gelungen
, von dem kirchlichen und profanen Leben Ulms vor der Reformation ein anschauliches
, sachgerechtes Bild zu zeichnen, das über Voraussetzungen und Triebkräfte der Ulmer
Reformation zahlreiche neue, weiterführende Einsichten vermittelt.

Bielefeld Klaus Schreiner

Tradition und Wagnis. Ulm 1945-1972. Theodor Pfizer als Festschrift gewidmet. Herausgegeben
von Hans Eugen Specker. Stuttgart 1974. (Forschungen zur Geschichte der
Stadt Ulm. 12.)

Die Stadt Ulm kann zu dieser Darstellung ihrer Geschichte von der Stunde Null im
Jahr 1945 bis zum Ende der „Ära Pfizer" nur beglückwünscht werden. Wenige Städte haben
bereits heute eine so umfassende Ubersicht über ihre Nachkriegsentwicklung aufzuweisen
. Es ist das Verdienst des Leiters des Ulmer Stadtarchivs H. E. Specker, dieses Werk

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