Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
13(100).1977
Seite: 120
(PDF, 41 MB)
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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1977/0122
Bader

Wenn in der geschichtlichen Literatur von den Herren von Zimmern und von
Meßkirch die Rede ist, dann steht eines der merkwürdigsten Zeugnisse älteren einheimischen
Schrifttums, die Zimmerische Chronik, vielleicht nur allzusehr im
Vordergrund. Nicht als ob dieses Werk des Grafen Froehen Christoph von Zimmern
solchen Ruhmes etwa unwürdig wäre - ganz im Gegenteil: seine heutige
Einschätzung, die ja bekanntlich auch zu einer textlichen Neubearbeitung - leider
noch nicht abgeschlossen - geführt hat, liegt sogar weit über dem, was bis
vor rund zwei Jahrzehnten üblich war. Seitdem der Schweizer Beat Rudolf Jenny
1959 sein Buch über Froben Christoph vorgelegt hat, ist man davon abgekommen,
die Zimmerische Chronik vor allem als Sammlung kurioser Anekdoten von einiger
Pikanterie zu bewerten, als „Sittengemälde des 16. Jahrhunderts", wie es in älteren
, mehr oder minder brauchbaren Ausgaben und Auszügen heißt. Man sieht die
Chronik heute als grundlegend wichtiges Werk für die Geschichte des Späthumanismus
in Schwaben, zugleich als ,speculum vitae humanae' (Spiegelbild also
menschlicher Natur überhaupt) und - für uns Landes- und Landschaftshistoriker
fast noch wichtiger - als in zeitgemäß schwankhafte Formen gekleidetes Selbstzeugnis
eines in steter Sorge um Haus und Herrschaft lebenden frühneuzeitlichen
Landesherren. Was diesen vorletzten Sproß des erst zu seinen Zeiten in den Grafenstand
erhobenen Hauses derer von Zimmern umtrieb, war die - wir werden
sehen: nicht unbegründete — Angst um den Fortbestand. Sein Onkel Gottfried
Werner, eindeutig die imponierendste, vom Neffen übertrieben skurril geschilderte
Gestalt, hatte es kaum weniger mit hausrechtlichen Sorgen und Nöten zu tun: er,
der in wenig glücklicher, kinderloser Ehe lebende Senior ungleicher Brüder, band
seinen Neffen, unseren Chronisten, bis kurz vor seinem Lebensende so sehr an die
zimmerische Hauswirtschaft, daß diesem gar nichts anderes übrigblieb, als sein
Tagewerk in der Kanzlei, beim Kopieren und Kanzellieren, zu verbringen - und
darüber schließlich zum Chronisten zu werden. Erst als der ersehnte Stammhalter
bei Froben Christoph eintraf, trat beim altgewordenen Onkel, einem Hünen von
Gestalt und einem Starrkopf von sprichwörtlich gewordenem Ausmaß, die Beruhigung
ein. Wie der alte Eberhard aus dem Hause Württemberg hätte er, bei der
Nachricht, es sei ein junger Zimmern geboren, ausrufen können: „Fink hat wieder
Samen!" Ob er dahinter schon geahnt hat, daß das Kind in der Wiege der letzte
Zimmern sein könnte, weiß nur der liebe Gott. Immerhin war für einmal, für eine
weitere Generation, das Geschlecht der Zimmern im Mannesstamm gesichert.

Damit wären wir bereits bei den späten Grafen von Zimmern und bei der Problematik
, die das dynastische Denken der Zeit in sich schloß, angelangt. Der Redner
ist es Ihnen aber doch wohl schuldig, noch etwas zurückzugreifen, um voll
verständlich machen zu können, was es mit den Zimmerischen Herrschaften und
zumal mit der Herrschaft Meßkirch geschichtlich in sich hatte. Vielleicht darf, um
die Linien unserer Gedankenführung zu verbinden, schon hier auf etwas, wie uns
scheint, typisch Zimmerisches hingewiesen werden: alt waren die Herrschaftsverhältnisse
, alt besonders die innere Substanz einer historischen Landschaft; nicht so
alt, eher relativ jung waren Geltung des Hauses von Zimmern im Umkreis der
altgräflichen Familien der schwäbischen Nachbarschaft und Absicherung des
Hausbesitzes. Die „Neugrafen", wie man sagen möchte, waren geplagt nicht nur
von der Sorge um Erhaltung des, wie es dem Chronisten wohl über jedes berechtigte
Maß hinaus schien, von den Vorfahren, zumal vom eigenen Vater, Johann
Werner,' verluderten Hausgutes; mindestens ebensosehr geplagt vom Gefühl, von

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