Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
13(100).1977
Seite: 174
(PDF, 41 MB)
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Neues Schrifttum

dienen können. Die zahlreichen fachmedizinischen Arbeiten, die Felix Platter verfaßte
und auch zum Druck brachte, bieten jedoch Möglichkeiten, diese Lücke weitgehend
auszufüllen; sie lassen das Bild eines großen Gelehrten erkennen, der als Stadtarzt
und Professor der praktischen Medizin „aus der vorher kümmerlichen medizinischen
Fakultät" der Universität Basel „ein angesehenes, vielbesuchtes Forschungszentrum"
(S. 18) machte. Das auf den Seiten 519-533 abgedruckte Einnahmeverzeichnis gibt überdies
genaue Einblicke in die Wirtschafts- und Vermögensverhältnisse eines erfolgreichen
Mediziners im 16. und 17. Jahrhundert. Die Einnahmen des jungen Arztes hatten noch
nicht einmal für die Führung eines eigenen Haushaltes ausgereicht, weshalb die jungen
Eheleute anfänglich bei Vater Platter Wohnung nehmen mußten. Bei seinem Tode hinterließ
er ein Vermögen von rund 40 000 Gulden, bestehend aus ca. 30 000 Gulden in Gültbriefen
und 10 000 Gulden in Liegenschaften und Bargeld. Zu seinen Schuldnern zählten
selbst geistliche und weltliche Potentaten - so der Bischof von Basel, der Markgraf von
Baden, der Herzog von Württemberg, der Pfalzgraf von Zweibrücken und der Landgraf
von Hessen. Es liegt nahe, daß ein solches, zu 5 "In angelegtes Kapital höhere Einnahmen
abwarf als die ärztliche Praxis und die Professur an der Hochschule zusammen. In der
Tat: Felix Platter „war einer der reichsten Männer nicht nur in Basel, sondern weit darüber
hinaus" (S. 536). Das zeigte sich auch in einem glanzvollen herrschaftlichen Lebensstil,
den Platter in seiner zweiten Lebenshälfte auf Grund seiner „Praxis aurea" führen konnte.
Was das Buch für den Freund der hohenzollerischen Geschichte insbesondere lesenswert
macht, ist der ausführliche und reichbebilderte Bericht über Platters Reise nach Sigmaringen
zur Hochzeit von Graf Christof von Hohenzollern, die vom 8. bis zum 26. August
1577 im Sigmaringer Schloß gefeiert wurde. Platter hat das kirchliche und weltliche Zeremoniell
dieses Hof- und Hochzeitfestes eingehend beschrieben. Hinzu kommt ein weiterer
Reisebericht über eine Fahrt nach Hechingen, wo Graf Johann Georg von Hohenzollern
vom 28. September bis zum 18. Oktober 1598 mit Franziska von Salm Hochzeit hielt
(S. 484-513). Die mit 819 Gästen, mit viel Musik, zahlreichen Banketten, Turnieren und
Treibjagden gefeierte Vermählung muß ein rauschendes Fest gewesen sein. Platter macht
überdies detaillierte Angaben über die äußere und innere Baugestalt der Stammburg Hohenzollern
; nicht weniger ausführlich befaßt er sich mit der Architektur des Hechinger
Stadtschlosses, einer prachtvollen, vierflügeligen Renaissanceanlage, die in der Zwischenzeit
abgerissen, um- und neugebaut wurde. Von landeskundlichem Interesse ist auch die
von Platter beschriebene Kindtaufe des Prinzen August von Württemberg (1596), des
14. Kindes des württembergischen Herzogs Friedrich (S. 467—483). Der Bericht enthält
auch Angaben über Schätze der herzoglich-württembergischen Kunstkammer. (Zu den von
Platter erwähnten Stücken vgl. nunmehr Werner Fleischhauer: Die Geschichte der Kunstkammer
der Herzöge von Württemberg in Stuttgart. Stuttgart 1976.)

Darüber hinaus vermittelt das Buch ein ungemein farbiges Spektrum über Lebensgewohnheiten
und Lebensauffassungen des 16. und 17. Jahrhunderts, über soziale Zwänge
und wirtschaftliche Engpässe, über Brauchtum, Sitte und Geselligkeit in den verschiedenen
sozialen Schichten der frühneuzeitlichen Ständegesellschaft, über geistige, religiöse und naturwissenschaftliche
Interessen von Individuen, Gruppen und Korporationen. Aus der Lebensbeschreibung
des Gelehrten und vielgereisten Basler Stadtarztes und Professors, die,
wie der Autor selbst bemerkt, „vil seltzam Sachen und herlicheit" enthält, erfährt denn
auch der Leser auf kurzweilige und lehrreiche Weise eine Fülle von Details über das private
und öffentliche Leben in einer bewegten Epoche. Zahlreiche zeitgenössische Bilder illustrieren
den Text. Sie sind mit kundiger Hand so ausgewählt, daß sie die Atmosphäre
einer vergangenen Zeit von neuem lebendig machen. Valentin Lötscher, der das Tagebuch
mustergültig edierte, hat dem Band eine Einleitung vorausgeschickt, in der er den Lebensgang
Platters einfühlsam nachzeichnet, Überlieferung und Anlage des handschriftlichen
Manuskriptes vorstellt sowie Platters Sprache („Baseldeutsch") sachkundig erläutert.
Nicht weniger als 3 200 Anmerkungen sowie zwei Register zu den erwähnten Personen,
Orten und Sachen erschließen den Text.

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