Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
13(100).1977
Seite: 177
(PDF, 41 MB)
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Besprechungen

Großherzog Friedrich I. von Baden und die Reichspolitik 1871-1907. Hrsg. von Walther
Peter Fuchs. Bd. 2: 1879-1890. Stuttgart: Kohlhammer 1975. XII, 786 S. (Veröff.
der Komm, für Geschichtl. Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe A, Bd. 24.)

Man braucht etwas Geduld, um sich durch die rund 800 Seiten durchzulesen, die der
zweite Band der Dokumente um den Großherzog Friedrich von Baden umfaßt. Zunächst
begegnet einem wieder das Faktotum schon des ersten Bandes, Staatsrat Heinrich Geizer
und Intimus des Großherzogs. Zwar nun im Pensionsalter, ist er doch immer noch in politischen
Geschäften unterwegs und nach wie vor fühlt er sich berufen, die Wiedergeburt
Deutschlands und Europas aus dem Geist der Reformation und der preußischen Erhebung
einzuleiten, ein Idealist, der inzwischen voll an seiner Zeit vorbeilebte. Ein halbes Jahr
vor der Entlassung seines Erzfeindes Bismarck hat er schließlich das Zeitliche gesegnet. Im
Gegensatz zu dieser labilen, selbstquälerischen Persönlichkeit dann eine zweite, dessen
Briefe und Berichte aus Berlin einen wesentlichen Teil des Bandes ausmachen, Adolf Hermann
Freiherr Marschall von Bieberstein, seit 1883 Bundesratsbevollmächtigter Badens.
Sachlich, nüchtern und dank bester Beziehungen immer gut unterrichtet, erwies er sich in
der Tat als souveräner Informant. Mißt man freilich seine Berichte an dem dem Band gesteckten
Ziel, einen Beitrag zum Verhältnis von Landes- und Reichspolitik zu liefern,
wird man wenig Überraschendes finden, vielmehr verstärkt sich der Eindruck, daß Baden
nicht allzusehr in die Reichspolitik hineinredete, sondern nachgab, wo es ging, und wo
nicht wie etwa beim projektierten Tabakmonopol sich vom sonst nicht gerade geschätzten
Reichstag heraushauen ließ. Dieser Befund mag nicht zuletzt auf den Großherzog zurückgehen
, dessen Schriftstücke aus dem zweiten Jahrzehnt der Bismarckära einen resignierenden
Eindruck machen. Grund der übermächtige Kanzler. Blickt man nach den Themen, so
taucht vieles nicht auf - ist teilweise auch, da direkt über die Ministerien laufend, bewußt
ausgeklammert -, was die achtziger Jahre bewegte, etwa die Sozialpolitik, anderes
ist überdimensional vertreten wie der Abbau des Kulturkampfes in Preußen wie in Baden.
Hier vor allem die Wiederbesetzung des Erzstuhles in Freiburg mit einer Persönlichkeit
„von konservativer Gesinnung und voller Ergebenheit gegen die Monarchie", deren
Hauptaufgabe dann sein sollte, erst einmal den politischen Katholizismus zurückzudrängen
. Weitere Themen die Tragik des Kronprinzen und späteren Kaisers Friedrich III.,
dann die Beziehungen der Fürsten untereinander. Hier der Eindruck, daß die Kreierung
eines deutschen Kaisertums das Landesfürstentum doch stärker ins zweite Glied gerückt
hat, als von diesem wohl erwartet. Besonders enttäuschend, wie wenig sich auch die liberale
Fürstengruppe um den Großherzog gegenseitig zu sagen hatte. Der interessanteste Teil
schließlich die Krise um Bismarck und dessen Entlassung. Zwar auch hier kaum Neues,
beeindruckend aber doch, wie gut eingeweihte Kreise um die Hintergründe wußten. Der
Großherzog selber befand sich in der entscheidenden Phase in Berlin, um dem jungen Monarchen
den Rücken gegen die Anmaßungen des Kanzlers zu steifen. Befremdend freilich,
wie wenig der Großherzog über eine Instanz zu sagen wußte, an die der Kanzler immerhin
auch gebunden war, den Reichstag. Daher ein paar Worte zu seiner politischen Stellung
, wie sie aus dem Band hervorgeht. 1887 rief er zur Bildung einer „staatserhaltenden
Partei" auf, die zugleich eine „nationale" sein sollte - liberal sei nicht mehr so wichtig.
Der Zweck, der „demokratischen Desorganisation" und dem „parlamentarischen Prinzip",
dessen Schäden an England abzulesen seien, entgegenzuwirken. Das Ergebnis war das
Kartell von 87. 1890 war es zerfallen, und im Reichstag dominierten jene Parteien, die
offensichtlich immer noch unter dem Verdacht standen, das Reich sprengen zu wollen.
Verständlich, daß der Großherzog, als Bismarck in der Person Windthorsts auch zu diesen
Kontak taufnahm, „sehr erregt" war. So stellte er die Sache des Reiches einseitig auf die
Souveränität des Kaisers, gegen den Reichstag und gegen das Kanzleramt, denn auch dieses
sollte kein Gegengewicht mehr bilden. „Der Kaiser muß aufopfernde Helfer haben, die
ganz und voll für ihn eintreten." Folgerichtig empfahl auch er als Nachfolger Caprivi,
einen Militär. Das war eine wenig zukunftsträchtige Haltung. Um so mehr darf man ge-

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