Universitätsbibliothek Freiburg i. Br., ZG 1563
Hohenzollerischer Geschichtsverein [Hrsg.]
Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte
13(100).1977
Seite: 188
(PDF, 41 MB)
Bibliographische Information
Startseite des Bandes
Zugehörige Bände
Regionalia

  (z. B.: IV, 145, xii)



Lizenz: Creative Commons - Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0
Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1977/0198
Neues Schrifttum

fällte das Gericht ein Zwischenurteil, das die erforderlichen Handlungen und Worte am
Stab festlegte. Beide Parteien ergriffen dann - in der Mehrzahl der Fälle wohl gleichzeitig
und gemeinsam - den vom Richter gehaltenen Stab, wobei der Veräußerer in formelhafter
Rede sein Eigentum an den Stab aufließ (Aufgabe bzw. Fertigung) und Verzicht
leistete und das Eigentum dem Erwerber übereignete, indem er seine Hand vom Gerichtsstab
zurückzog und der Erwerber seine Rechte vom Stab, d. h. vom Richter, empfing und
dann ebenfalls den Stab losließ. Es folgte die Bekräftigung des Rechtsgeschäfts durch
Währschafts-, Nichtstörungs- und Erfüllungsgelübde sowie Einredeverzicht des Veräußerers
, und abschließend stellte das Gericht durch Urteil fest, daß das Geschäft rechtskräftig
sei, weil mit allen vorgeschriebenen Worten und Werken vollzogen. Außer Eigentumsübertragungen
wurden auch Gelübde an den Stab vollzogen. Diese sog. Stabgelübde waren Erklärungen
an Eidesstatt unter Berührung des Gerichtsstabs, die im Schuld-, Sachen-, Familien
- und Erbrecht vorkommen und prozessuale Funktion hatten. Vereinzelt werden sie
heute noch im Kanton Glarus angewendet. Der Verfasser unterscheidet zwei Arten von
Gelübden am Gerichtsstab: promissorische Gelübde, d.h. Versprechen, die rechtsbegründende
Wirkung hatten, wie das Versprechen, ein Gerichtsurteil zu erfüllen, Bußen und
Geldschulden zu bezahlen, Bürger-, Amts- und Dienstpflichten zu erfüllen. Assertorische
Gelübde, d. h. Bekräftigung und Wahrheitsgelöbnis mit deklarativem Charakter wie das
Versprechen von Zeugen, wahr und unvoreingenommen auszusagen, Widerruf von Ehrverletzungen
oder Beweisgelöbnisse. - Auf die umstrittene Herleitung des Richterstabs
geht der Verfasser nicht ein. Er vertritt jedoch die Auffassung, daß der Gerichtsstab zwar
unabhängig von der Festuca entstanden und ihr keinesfalls gleichzusetzen sei, daß er aber
bei Fertigung und Gelöbnis Funktionen übernahm, die früher die Festuca hatte: Die Festuca
, in den germanischen Volksrechten und bis in das Mittelalter hinein belegt, war
wohl ursprünglich ein Holzstab, der später durch einen Halm ersetzt werden konnte. Sie
wurde dem Erwerber zugeworfen als Symbol für die Auflassung von Rechten durch den
Veräußerer oder ihm gereicht bei der Bürgschaftsbestellung. Nachdem diese beiden Formen
dann miteinander verschmolzen worden waren, wurde die Überreichung der Festuca
(Stabreichung) zum Symbol der rechtlichen Eigentumsübertragung. Hier konnte der Gerichtsstab
schließlich die Rolle der Festuca übernehmen.

Sigmaringen Maren Kuhn-Rehfus

Walter Müller: Entwicklungen und Spätformen der Leibeigenschaft am Beispiel der Heiratsbeschränkungen
. Die Ehegenoßsame im alemannisch-schweizerischen Raum. Sigmaringen
: Thorbecke 1974. Vorträge und Forschungen Sonderband 14. Hg. v. Konstanzer
Arbeitskreis zur mittelalterlichen Geschichte.

Die Studie aus der kompetenten Feder des Schweizer Rechtshistorikers Walter Müller
(f), die auf der rechtsvergleichenden Auswertung eines immensen Quellenmaterials aufbaut
, versteht sich „als Beitrag zur sachlichen Klärung der immer noch zu sehr emotionell
belasteten Auseinandersetzung um ständische Freiheit und Unfreiheit der Landbevölkerung
in Mittelalter und Neuzeit" (S. 6). Dem Verfasser geht es denn auch nicht allein um
die Analyse eines immer noch kontrovers beurteilten Rechtsinstitutes, das im Zusammenhang
mit der Frage nach den Ursachen des Bauernkrieges neuerdings wiederum zum Gegenstand
intensiver geschichtswissenschaftlicher Anstrenung geworden ist. In Müllers Frageansatz
steckt ein genuin sozialgeschichtliches Anliegen. Er betrachtet nämlich wechselseitige
Ehefähigkeit, Ehebeschränkung und Heiratszwang als dominante Schichtungskriterien
für die Gliederung der mittelalterlichen Ständegesellschaft.

Der Autor erläutert einleitend, mit welchen Rechtsbestimmungen mittelalterliche
Grund- und Leibherren sowohl „ständisch unebenbürtige Heiraten" als auch „Mischehen"
zwischen Ungenossen, d. h. eheliche Verfeindungen zwischen standesgleichen unfreien Ehe-

188


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1977/0198