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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0036
Kuhn-Rehfus

tiget, sonder gar am Leib und Leben ohne alle Gnadt zum Exempel anderer gestrafft
werden. Doch sollen sie, Unßere Schutz- und Schirmverwandten, die Juden
, an gewohnlichen Wochenmärckhten vor Verfliesßung einer Stundt nichts
erhandlen oder einkhauffen, sonder sich so wol der gestollnen und verdächtigen
Sachen, welche man in Unßerer Statt Hechingen tragen, fiehren oder bringen
möchte, es seye was eß welle, wie auch Unßere Burger und Underthonen selber
bey hievor ufgelegter Straff unnachleßig zueerlegen bemüesßigen und gentzlich
enthalten, dann solches alles änderst nichts allß Unnachbarschafft, Zänckh,
Händel und alles Unheil causierts* und verursachet, ja vihlmahlen vast daß Leben
costet. Sovil aber daß Flaisch, welches sie, die Juden, zue ihrer Leibsnahrung
gebrauchen, anlangt, sollen sie solliches bey Unßeren Metzgern khauffen, welches
zwar in dem Werth, wie es jederzeit taxiert wirdt, unwaigerlich solle gevolgt werden
. Da aber solches nit geschehen solte, und sie, die Juden, ihrem Gebrauch nach
selber Schachen müessten, so zwar ihnen nit khan gespert werden, solten sie das
Flaisch, welches sie ihrem Gesatz nach nit niesßen dörffen, anderwertig, wo es
ihnen beliebig, doch außerhalb der Statt, so guet sie khönnen verhandlen und zue
ihrem Nutzen verkhauffen. Hieran beschickt Unßer ernstlicher Will und Meinung
. Decretum den zway und zwaintzigisten Monatstag Juli deß eintaußendt
sechshundert drey und viertzigisten Jahre.

Friderich

Gleichzeitige Abschrift des besiegelten und eigenhändig unterschriebenen Originals.
Lagerort: Staatsarchiv Sigmaringen, Ho 1 (Fürstentum Hechingen), C II 6 f Nr. 5.

In der Feindschaft gegen die Juden verbanden sich, wie bisher schon öfters
anklang, eine religiöse und eine wirtschaftliche Komponente. Die christliche Umwelt
sah in ihnen das ungläubige, blinde Volk, auf dem der Fluch Gottes laste, den
Feind der Kirche einerseits und den wirtschaftlichen Nebenbuhler andererseits a.
Beide Bereiche tauchen auch in einer Beschwerdeschrift der Stadt Haigerloch an
das fürstliche Oberamt aus dem Jahr 1779 auf, doch haben die wirtschaftlich begründeten
Aversionen den absoluten Vorrang. Dieses Beschwerdeschreiben gibt
einen detaillierten Einblick in die Gründe der Streitigkeiten zwischen christlichen
Untertanen und Juden und zeigt, wie in Haigerloch die Interessen der zünftig
gebundenen Mehrheit mit den wirtschaftlichen Erfordernissen der außerhalb der
Zunftordnung stehenden Minderheit kollidierten. Die Auseinandersetzungen resultierten
aus dem Gegensatz einer Gesellschaft, die durch mannigfache Gesetze und
Verordnungen im wirtschaftlichen Bereich reglementiert und eingeengt war, und
einer nicht in dieses System integrierten Minderheit, die in dieser Gesellschaftsordnung
keinen anerkannten und gesicherten Platz hatte.

Die Juden waren durch das christlich betonte Zunftwesen vom Handwerk und
durch das weitverbreitete Verbot, Grundbesitz zu erwerben, von der Landwirtschaft
ausgeschlossen. Die territorialen Judenordnungen gestatteten ihnen lediglich

54 causieren: verursachen.

55 Monumenta Judaica, Handbuch, S. 279, S. 282.

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