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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0048
Kuhn-Rehfus

jüdischen Minderheit. Gotthold Ephraim Lessing und Moses Mendelssohn traten
für die Freiheit des Geistes und Glaubens ein. Der preußische Archiv-Superintendent
Christian Wilhelm Dohm forderte in seiner 1781 erschienenen Schrift „Über
die bürgerliche Verbesserung der Juden" aus humanitären und utilitären Erwägungen
, die Juden zu Handwerk, Ackerbau, Industrie und allen bürgerlichen Berufen
zuzulassen und alle entgegenstehenden Vorschriften sofort aufzuheben. Unmittelbare
Konsequenzen hatten diese Forderungen allerdings nicht. Rückständige soziale
und wirtschaftliche Verhältnisse in den deutschen Ländern behinderten die
Verwirklichung der aufklärerischen Ideale.

In Frankreich aber erkannte die Nationalversammlung 1791 den Juden die
vollen Menschen- und Bürgerrechte zu und hob alle die Juden betreffenden Sondergesetze
auf. Das Dekret wurde auch auf die französisch besetzten linksrheinischen
Gebiete und die später eroberten Gebiete ausgedehnt. Im übrigen Deutschland
wurde die Judenemanzipation erst im 19. Jahrhundert durchgeführt'8.

Der Verfasser der Dettenseer Bittschrift forderte ganz im Sinne der Aufklärung
im Namen der Toleranz die Gewährung der Menschenrechte ohne Rücksicht
auf Religions- und Standeszugehörigkeit auch für die Juden. Dagegen weist er
den Gedanken einer Staatsbürgerschaft der Juden noch ganz von der Hand, und
zwar inkonsequenterweise doch wieder mit dem Hinweis auf ihre Religion und die
davon geprägte eigentümliche Lebensart. Auch an anderer Stelle urteilte der
württembergische Kanzleiadvokat zwiespältig. Während er für Württemberg
größere Judenansiedlungen ablehnte, weil sie dem Land schädlich seien, hielt er sie
beispielsweise für das Fürstentum Hohenzollern-Hechingen, genauer für den dortigen
Landesherrn, für vorteilhaft. Denn er selbst mochte zu der von den Gegnern
der Judenemanzipation aufgestellten Behauptung, die Juden seien für das Land, in
dem sie wohnen, und besonders für die Untertanen schädlich, nicht eindeutig
Stellung beziehen. Auch er überwand den rein utilitären Standpunkt in der Beurteilung
der Judenemanzipation nicht. Im speziellen Fall von Dettensee argumentierte
er, die dortigen Juden hätten auf den Nahrungserwerb der christlichen Einwohner
keinerlei Einfluß und würden deren Erwerb nicht beeinträchtigen, weil sie
ausschließlich auswärtigen Handel betrieben. Deshalb sei eine Beschränkung ihrer
Rechte aus politischen Gründen nicht vonnöten. Der Gedankengang unterscheidet
sich nicht grundsätzlich von den Überlegungen der Hechinger Regierungsbeamten,
für die 1742 ebenfalls der jüdische Handel außerhalb des eigenen Landes ein
positives Bewertungskriterium war.

Inwieweit diese Ausführungen des württembergischen Kanzleiadvokaten die
Meinung der Dettenseer Juden wiedergeben oder alleine den Standpunkt des Verfassers
der Bittschrift kennzeichnen, läßt sich nicht entscheiden. Jedoch haben sie
im Gesamtzusammenhang der Bittschrift ohnehin nur einleitende und begründende
Funktion. Denn der Judenschaft kam es in erster Linie auf die Verbesserung ihrer
praktischen Lebensverhältnisse an. In drei Punkten baten sie die Herrschaft um
Hilfe:

1. Milderung der unerträglichen Wohnungsnot durch den Bau neuer Häuser entweder
seitens der Herrschaft oder der Juden selbst.

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*8 Monumenta Judaica, Handbuch, S. 284-291.

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