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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0063
Totschlag oder Ermordung eines Juden

ahnungslos hinzustellen. Auch habe er dem mit einer Untersuchung des Verschwin-
dens des Juden befaßten Rat sowie den Amtleuten gegenüber sich so verhalten,
daß auf ihn zunächst keinerlei Verdacht gefallen sei.

Hatte Jörg Schanz bei der Examinierung durch Rat und Amtleute sich zunächst
so geschickt verhalten, daß kein Argwohn auf ihn fiel, so muß ihn doch
bald danach Panik befallen haben. So vertraute er sich seinem Pfarrherrn an und
ergriff anschließend die Flucht. Er verließ die Grafschaft Zollern und begab sich
nach Erlaheims im erbtruchsessisch-waldburgschen Gebiet. Dort wurde er auf der
Nacheilenden recht Anrufen gefangen genommen, und es wurde gegen ihn eine
Anzeige wegen Mordes an einem Juden erstattet.

In dem Aktenstück, das sich bemüht, die Tat des Helfers als Totschlag darzustellen
(Anhang I), wird das Motiv zur Flucht anders gesehen. Nachgehends, so
berichtet das Protokoll, seien die Hechinger Juden um das Haus herum gestanden.
Er aber habe den toten Juden nach Anbruch der Nacht in die Krippe gelegt. Als
man dann den Juden gesucht habe, habe er seine Version von dem Vorfall gegeben
und gesagt, wohin er den Toten getragen, damit man nicht sage, er habe den Juden
ermordet. Dann sei es ihm gelungen, aus der Stadt zu kommen, indem er sich den
Anschein gegeben habe, Fische holen zu wollen. Wie er dann Erlaheim erreicht
habe, da sei ihm ein Jude gefolgt und habe geschrien: Fangt ihn, er ist ein Brenner.
Da die Bauern von Erlaheim ihn kannten, hätten sie den Juden gefragt, warum er
den Priester einen Brenner (Verbrecher) nenne, worauf er ihnen gesagt habe, daß
er einen Juden erschlagen habe. Daraufhin habe man ihn nach Nusplingen' ins
Gefängnis geführt und am Ostermontag7 nach Hechingen gebracht, wo man ihm
ein Springeisen8 angelegt habe. So habe man ihn von Montag bis Freitag liegen
lassen und ihn dann gütlich befragt, was er getan habe und wie es zugegangen sei.
Als er dann seine Totschlag-Version berichtet habe, habe man ihn zur Folterung
dem Henker übergeben*. Als er auch nach zweimaligem Aufziehen — er wurde
wohl an einem Seil, das um seine erhobenen Hände geschlungen worden war,
hochgezogen, so daß seine Füße nicht mehr den Fußboden berührten und seine
Handgelenke das ganze Gewicht seines Körpers tragen mußten - bei seiner Version
blieb, wurden seinen Füßen schwere Steine angehängt, und die Prozedur des
Aufziehens mehrfach wiederholt. Da er den Mord immer noch leugnete, hat man
ihm nach Verlauf einiger Tage den ganzen Turm10 anhängen lassen. Das heißt

5 Erlaheim, dem Geburtsort das Jörg Schanz, Binsdorf unmittelbar benachbart, heute
ebenfalls Stadtteil von Geislingen (Zollernalbkreis), kam 1401 als Pfand von Österreich
an die Truchsessen von Waldburg und fiel 1695 an Österreich zurück.

6 Nusplingen (Zollernalbkreis), 1394 erstmals als Stadt erwähnt und damals im Besitz der
Grafen von Hohenberg, 1384 an Österreich verkauft, nach Verpfändungen im Besitz
der Truchsessen von Waldburg (1401-1695).

7 15. April 1560.

s Fußeisen, vgl. Schwäb. Wb. (wie Anm. 4) Nachträge, Artikel „Spring-eisen".

9 Offenbar erst einige Wochen nach seiner Verhaftung, vgl. die Uberschrift Anhang I, die
das Protokoll auf den 16. Mai 1560 datiert, d. i. der Donnerstag in der 5. Woche nach
Ostern.

10 Vgl. Schwäb. Wb. (wie Anm. 4), Artikel „Thum".

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