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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0064
Haselier

wohl: er wurde mit den Füßen am Boden des Gefängnisses angebunden und mittels
eines oben an der Decke der Zelle angebrachten Straufs also einer Öse oder
Schlinge zum Aufziehen einer Last, gestreckt, bis er an der Wag12 das Bewußtsein
verlor.

Neben dieser Tortur her wurden weitere Anklagen gegen ihn erhoben: so sollte
er die Magd seines Vaters geschwängert und danach entleibt haben; außerdem
wurde er noch des Diebstahls eines Bechers bezichtigt. Während er diese beiden
Anschuldigungen zurückwies - sein Vater habe niemals eine Magd in Diensten
gehabt -, gestand er, und zwar vor, während und nach der Folterung, die Ent-
leibung des Juden.

Es ist noch davon zu sprechen, wie verschieden in jedem der beiden Aktenstücke
die Beweise gewürdigt werden. Das den Helfer eher entlastende Schriftstück
(Anhang I) hebt hervor, daß die Behörden des Truchseß von Waldburg13
nichts gegen ihn unternommen hätten; auch sei seine Festnahme nicht auf das Ansuchen
des Grafen von Zollern14 hin erfolgt, sondern lediglich durch die Anzeige
der Juden verursacht worden. Die Anschuldigung des Diebstahls eines silbernen
Bechers, der Eigentum der Dominikanerinnen von Binsdorf gewesen sei, ist nach
Ansicht des Verfassers dieses Schriftstücks nicht begründet. Im Moment seiner
Festnahme habe der Helfer den Becher nicht bei (hinter) sich gehabt. Dann
referiert das Schriftstück die etwas unklare Behauptung der Jude [habe] den
Becher ... [dem Helfer] gebracht und gesagt, der Priester habe ihm, dem Juden,
diesen Becher verkauft oder versetzt. Es könnte also wohl sein, so scheint es heute,
daß Schanz mit dem Diebstahl dieses Bechers nichts zu tun hatte, der Jude könnte
in diesem Fall Hehler gewesen sein; er könnte den Becher von dem wirklichen
Dieb erworben und versucht haben, dieses wertvolle Stück dem Helfer zu verkaufen
. Allerdings spricht gegen eine solche Annahme - wenn auch nicht unbedingt
-, daß ein junger, schlecht bezahlter Geistlicher, der eben genötigt gewesen
war, ein Darlehen aufzunehmen, wohl wenig für den Erwerb eines so teuren
Stücks wie eines silbernen Bechers in Frage gekommen ist. Jedenfalls hat mit dieser
Sache der Ermordete noch nach seinem Tode denjenigen, der ihm das Leben genommen
hat, in den Verdacht einer weiteren Straftat gebracht. Der Verfasser des
anderen Schriftstücks (Anhang II) indes sieht sie für erwiesen an, da der Becher
wie die dem Getöteten geraubten Gegenstände beim Täter gefunden worden seien.
Er vermutet auch Komplizen und deutet an, der Beschuldigte sei trotz offennt-
licher Beweislage zum Leugnen ermuntert worden. Es ist auffällig, wie ungünstig
für den Pfarrhelfer Schanz die Einstellung dieses Verfassers ist: Hier soll unbedingt
ein Mord bewiesen werden.

Da uns für diesen Kriminalfall der Tötung des Juden, sonst keine Quellen zur
Verfügung stehen, insbesondere nicht die Verhörsprotokolle (Constituta) und auch

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11 Vgl. Schwab. Wb. Artikel „Schrauf" und Nachträge, Artikel „Schraufe".

12 Bezeichnung für ein Folterinstrument, vgl. Schwab. Wb. Artikel „Wag", I.

13 Wilhelm Erbtruchseß von Waldburg der Jüngere, *1511 fl566, vgl. M. v. Pappenheim,
Chronik der Truchsessen von Waldburg, Memmingen 1777, S. 117 ff.

14 Graf Karl I. von Hohenzollern, *1516 fl576, vgl. W. Bernhardt/R. Seigel, Bibliographie
der Hohenzollerischen Geschichte, Sigmaringen 1975, Nr. 1004, 7321.

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