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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0203
Preußische Starthilfe für Hohenzollern

Wüstegiersdorf als Mittel der Strukturentwicklung gegründete Woll- und Garnspinnerei
und -Weberei erwarben und offenbar sehr rasch mit einigem Erfolg
betrieben; hieraus ergibt sich vielleicht eine weitere Begründung für die Berufung
Reichenheims.

Reichenheim bereiste Hohenzollern und machte Vorschläge, wie die Situation
gebessert werden könnte. Das Problem war in seiner Struktur vergleichbar mit
dem, vor dem die Entwicklungshilfe auch heute steht, nämlich eine Bevölkerung
wirtschaftlich konkurrenzfähig zu machen. Es galt dabei, mehrere technologische
und bewußtseinsmäßige Entwicklungsstufen zu überspringen auf dem Hintergrund
mangelnder Kapitalausstattung und mangelnder natürlicher Ressourcen (außer
Energie). Er wollte den Staat als Garanten für das investierte Kapital einsetzen
und ihm und den Dorfhonoratioren Aufsichtsfunktionen übertragen. Er versuchte,
auch das Qualifikationsdefizit der Arbeiter offensiv zu lösen. Das mangelnde Verhältnis
der Bevölkerung zu gewerblicher Arbeit wurde von ihm scharf kritisiert,
aber mit der unzureichenden Vorbereitung auf die neue Art der Arbeit entschuldigt.
Sein Vorschlag zielte auf die Erlernung der nächsten technologischen Entwicklungsstufe
und er nahm dabei bewußt in Kauf, daß andernorts in Deutschland
längst seit 1820 mechanische Webstühle in Betrieb waren.

Während seiner Reise durch Hohenzollern informierte sich Reichenheim im
wesentlichen über die Webereiverhältnisse, wohl seinen eigenen Interessen entsprechend
, andere Produkte werden zwar erwähnt4, in seinen Vorschlägen aber
nicht gesondert berücksichtigt. Seine Überlegungen seien modellhaft an den
Webereiverhältnissen erläutert, gab er selbst an, aber jederzeit auf andere Produkte
übertragbar, zudem solle man sich nicht zuviel auf einmal vornehmen.
Probleme der Infrastruktur werden nur am Rande berührt, nicht vertieft.

Die nachfolgend mitgeteilten5 Überlegungen und Vorschläge von Leonor
Reichenheim, der zu diesem Thema auch Gelegenheit zum Vortrag beim Berliner
Handelsminister erhalten hatte, haben keine dauernden Erfolge gezeitigt. Der
Bericht des Sigmaringer Regierungspräsidenten von Sydow an den Berliner Handelsminister
zu dem Gutachten gerät mehr interessiert als initiativ*. Dennoch
wurden mit Zustimmung und finanzieller Unterstützung aus Berlin, dem Reichenheimischen
Vorschlag entsprechend, in Empfingen, Grosselfingen, Jungingen

4 Vgl. Uwe Ziegler: Verwaltungs-, Wirtschafts- und Sozialstruktur Hohenzollerns im
19. Jahrhundert (= Arbeiten zur Landeskunde Hohenzollerns, Band 13), Sigmaringen
1976.

5 StAS Ho 235, Präsidialabt. VI C 45. Bei der Publikation wurden die von Johannes
Schnitze herausgegebenen „Richtlinien für die äußere Textgestaltung bei Herausgabe
von Quellen zur neueren deutschen Geschichte" (Blätter für deutsche Landesgeschichte
102/1966, S. 1 bis 10) beachtet. - Zu Reichenheims Gedanken vgl. auch dessen Privatdruck
: Die soziale Frage und die Mittel zu deren Lösung, Potsdam 1848, in dem er drei
Vorschläge macht: Weitgehende Beseitigung der Schutzzölle (mit Ausnahme von Luxusgütern
), Fixierung eines Minimallohns je Distrikt und Einrichtung von Arbeiterversorgungsanstalten
zur Altersversorgung von Arbeitnehmern.

• StAS Ho 235, Präsidialabt. VI C 45.

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