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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0216
Ziegler

Betrachtet man zunächst die Weberei, die durch Herren B. Baruch & Söhne
eingeführt, und besucht die einzelnen Werkstätten, so tritt die geistige Armut und
das materielle Elend überall zu Tage. Bei jedem Blick zeigt sich das Mangelhafte
in den elendsten Formen. — Sieht man die Weberstühle, so schauen von den meisten
, die eher etwa Anderem ähnlich sind, als einem Webestuhle, Jahrhunderte
auf den Untersuchenden herab. Sieht man die Vorrichtungen, die daran angebracht
sind, so frägt man sich umsonst, in welchem Zeitalter eine solche Art der
Weberei existiert hat; betrachtet man die Schlichte 10 - eine Art braunen zähen
Kleisters - und bringt dies mit all dem Geschehenen in Verbindung, so muß man
zugestehen, daß die Not und das Elend sehr groß gewesen sein muß, wenn man
mit solchen Mitteln dennoch zu dieser Beschäftigung geschritten.

Daß aber die Not nicht allein es gewesen, sondern daß auch Lust zur Beschäftigung
vorhanden ist, die eine Tätigkeit hervorgerufen, beweist die Tatsache, daß
Weber, die sechs Tage vermöge der sehr komplizierten Vorrichtung nicht arbeiten
konnten und dies selbst ordnen wollten, die Geduld nicht verloren, und am
siebten Tage von Neuem damit begannen, und wahrscheinlich weiter so fortgefahren
wären, wenn nicht eine verständige Hand helfend zugetreten wäre. —
Wenn dieser besondere Fall auch nicht auf das Allgemeine anzuwenden ist, so
steht doch soviel fest, daß die Trägheit und Arbeitsunlust ebenfalls keine allgemeine
ist. Wo eine wirklich angebotene Arbeit verweigert wurde, so hat dies
größtenteils seinen Grund in der Unkenntnis der gebotenen Arbeit und in den
vorhandenen mangelhaften Vorrichtungen und Mitteln dazu.

Zu dieser vollständigen Unkenntnis der Beschäftigungsart gesellen sich mehrere
Übelstände, die dem Arbeiter die Arbeit verleiden müssen.

Es ist das Weben nicht allein; er soll die Kette bäumen und andrehen 11, er soll
schlichten und den Schuß spulen und keines von allem dem versteht er. — Hat er
nun endlich ein Stück fertig, innerhalb einer Zeit, in welcher ein ausgebildeter
Weber vielleicht drei Stücke fertigt, dann muß er dieses Stück Meilen weit, bis
nach Hechingen, tragen und Kette und Schuß zum nächsten Stücke holen, wodurch
ihm ein ganzer Tag verloren geht. - Unter solchen Umständen kann es
nicht Wunder nehmen, wenn jede andere Beschäftigung, die dem Arbeiter noch
weniger einbringt, vorgezogen wird; ja, daß er sich lieber zur Untätigkeit verdammt
und durch Betteln sein Leben zu fristen sucht, ehe er seine Arbeit verrichtet
, wo der Verdienst zu der Zeit, die er dazu verwendet, gleich Null ist;
wenn ihm nach gelieferter Arbeit noch Lohnabzüge gemacht werden, die, so
schmerzlich sie auch den Arbeiter treffen, doch den Verlust des Fabrikanten, der
durch solche fehlerhafte Ware bereitet wird, nicht im Entferntesten aufwiegen.

Es ist nichts Seltenes, daß Ketten von sechzig Ellen Länge erst nach einem
Zeiträume von drei oder sechs Monaten abgeliefert wurden, ja man sieht mitunter
Webstühle mit Ketten bespannt, von denen sich der jetzige Besitzer nicht
mehr erinnern kann, von wem und wann sie darauf gebracht worden sind.

10 Um beim Weben rauhe Kettenfäden (Fäden in Laufrichtung des Stoffes) zu glätten und
schwach gedrehte Garne zu festigen, wurden sie geschlichtet, d. h. mit einem Klebstoff
getränkt; für pflanzliche Faserstoffe nahm man Stärkekleister, für tierische Faserstoffe
Leim bzw. Kleister und Leim gemischt.

11 Kettenfäden werden vor dem Weben auf eine Walze (= Kettenbaum) gewickelt (aufgebäumt
).

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