Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0238
Neues Schrifttum

Jürgen Hegge: Kabinettsjustiz in Brandenburg-Preußen. Eine Studie zur Geschichte des
landesherrlichen Bestätigungsrechts in der Strafrechtspflege des 17. und 18. Jahrhunderts
. Berlin - München: Duncker & Humblot 1976. 211 S. (Strafrechtliche Abhandlungen
Neue Folge Band 30.)

Die Kabinettsjustiz als besondere Ausprägung absolutistischer Regierungsformen ist ein
Thema, das schon immer das Interesse der Rechtshistoriker auf sich zog. Als Problem allseits
bekannt, wurde es doch bislang noch kaum einer ausführlicheren monographischen
Bearbeitung unterzogen. Zu sehr hing seine Analyse von einer Kenntnis verwaltungs- und
verfassungshistorischer Zusammenhänge ab, die dem Rechtshistoriker allzu oft fehlte. Erst
neuerding hat Werner Ogris in einer kleinen Untersuchung (Festschrift Krause, Köln/
Wien 1975, S. 169 ff.) die Frage nach dem „Machtspruch" des Herrschers, die „sententia
ex plenitudine potestatis", neu aufgeworfen. Die Schwierigkeit der Bewertung erhellt daraus
, daß seit eh und je die Wahrnehmung des Richteramts als vornehmste Pflicht des
Herrschers angesehen wurde, an die dieser sich auch in der Neuzeit gebunden fühlte.
Andererseits werden heute Eingriffe des Regenten in den Gang gerichtlicher Verfahren als
Entartungen des um seine Existenz ringenden Absolutismus angesehen - eine Betrachtungsweise
, die den Blick für eine unbefangene Analyse von vorneherein verstellt.

Erfreulich ist es deshalb, daß mit der Untersuchung Regges über die Kabinettsjustiz in
Brandenburg-Preußen ein erster Anfang im Hinblick auf eine Neubewertung gesetzt
wurde. Schon einführend konfrontiert R. den Leser mit klaren Problemstellungen, die
eine interessante Analyse versprechen. Er weist (15) darauf hin, daß eine endgültige Bewertung
stets im Auge behalten müsse, daß durch den Machtspruch einerseits der Willkürjustiz
Tür und Tor geöffnet werden könne, andererseits nur dadurch eine gerechte
Justizgewährung gewährleistet werden konnte. Angelpunkt für die Eingriffe des Herrschers
in den Justizapparat waren das gerichtsherrliche Bestätigungsrecht sowie das Begnadigungsrecht
, wobei erst die Ausbildung zum landesherrlichen Bestätigungsrecht unter
König Friedrich Wilhelm I. von Preußen 1717 - für andere Territorien müßte der zeitliche
Ansatz überprüft werden - zur eigentlichen Kabinettsjustiz führte.

Regge ging es vor allem um Voraussetzungen und Entstehung der Kabinettsjustiz, dargestellt
am Beispiel Brandenburg-Preußen. Das unter König Friedrich II. von Preußen voll
ausgebildete Rechtsinstitut kann er in seinen Konsequenzen jedoch nicht mehr im einzelnen
verfolgen, sieht man von der Besprechung einiger „causes celebres" ab. Demgemäß steht
im Zentrum seiner Darstellung die verwaltungsgeschichtliche Entwicklung Brandenburgs
vom dualistischen, dezentralisierten Ständestaat zu einem durchorganisierten absolutistischen
Behördenstaat. Im einzelnen untersucht er die Phasen der Territorialstaatsbildung,
die landständische Verfassung bis auf den Großen Kurfürsten und die unter diesem
Herrscher bewerkstelligten Veränderungen (31 ff.). Etwas erstaunt ist man nur festzustellen
, daß die neue, umfassende Biographie zu Friedrich Wilhelm von Opgenoort, die zum
Thema einiges hergibt, offenbar übersehen wurde. In einem weiteren Kapitel beschäftigt
sich R. mit der Entwicklung der Gerichtsverfassung und des Strafverfahrensrechts
(54 ff.), soweit dies zur Erfassung der Problematik erforderlich ist: Ausbildung des
„gerichtsherrlichen" Bestätigungsrechts und der Begnadigungsbefugnis, Praxis des Brandenburger
Schöppenstuhls, Differenzierung von Straf- und Zivilverfahren, Aktenversendungsgewohnheit
, Beweistheorien etc. - jeweils Voraussetzungen, die die Ausbildung
der Kabinettsjustiz in unterschiedlichem Umfang begünstigten.

In einem dritten Abschnitt geht es um die Entwicklung des landesherrlichen Bestätigungsrechts
unter König Friedrich I. (93 ff.). Freilich erschöpfen sich die Ausführungen
Regges vor allem darin, daß er die unterschiedlichen Gerichtsverfassungen der
brandenburgischen Territorien vorstellt, niit dem Ergebnis, daß der König außerhalb der
Kur- und Neumark Brandenburg kaum die Möglichkeit hatte, in einzelne Strafverfahren
einzugreifen. Ständisch orientierte Regierungen und Hofgerichte waren in aller Regel
letzte Kontrollinstanz, über die hinaus eine Befassung des Geheimen Rats in Berlin oder
gar des Kurfürsten kaum in Betracht kam. Die Fragen, inwieweit konkrete Tendenzen

228


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0238