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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0241
Besprechungen

aus der Erbmasse des alten Reiches, ein Vorgang, der gerade die Bürokratie zu einem
unabdingbaren Faktor der Integration machte, dann daß vielleicht die Frage zu stellen
gewesen wäre, wie ein Beamter, der einerseits so herausgehoben und vielfach geschützt,
andererseits aber bis zur Preisgabe seiner persönlichen Würde gegängelt war, denn nun
seinen Untertanen gegenübertrat, und schließlich, daß die Einflechtung von diesem oder
jenem Bonmot aus der zeitgenössischen Kritik an der Bürokratie die an sich trockene
Materie etwas belebt, ja vielleicht Alternativen angedeutet hätte. Trotzdem eine vorzügliche
Arbeit, der weitere dieser Art folgen sollten. Wunder selbst will noch eine Untersuchung
über Baden vorlegen.

Mainz Hugo Lacher

Walter Steitz: Feudalwesen und Staatssteuersystem. Bd. 1: Die Realbesteuerung der Landwirtschaft
in den süddeutschen Staaten im 19. Jahrhundert. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht 1976. 297 S. (Studien zur Naturwissenschaft, Technik und Wirtschaft im
19. Jahrhundert, Band 7.)

Mit seiner Arbeit über die Realbesteuerung der Landwirtschaft in den süddeutschen
Staaten des 19. Jahrhunderts hat sich Walter Steitz auf eine schwierige Materie sowohl
von der Sache - dem Steuersystem - als auch von den politischen Gegebenheiten her
eingelassen. So sind die süddeutschen Staaten in der Gestalt des 19. Jahrhunderts überhaupt
erst um 1800 entstanden, aus unzähligen Gebieten mit jeweils eigenem Abgabensystem
zusammengestoppelt worden, so daß erst einmal ein einheitliches Steuerrecht zu
schaffen war. Dann blieben die Länder im Rahmen des Deutschen Bundes bis 1871
souverän, behielten damit auch ihre Finanzhoheit mit der Folge, daß die Systeme sich
zwar in ihren Grundzügen glichen, im einzelnen aber doch so differierten, daß sie der
Verfasser nebeneinander und vergleichend zu behandeln hatte, ein Verfahren, das sich im
übrigen als sehr aufschlußreich erwies. Schließlich ragte noch ein gut Stück Feudalismus
ins 19. Jahrhundert hinein, so daß wenigstens zunächst noch Feudalabgaben und Staatssteuern
nebeneinanderstanden. Auch die Bauernbefreiung mit ihren Ablösungszahlungen,
die dann wieder mit den Staatssteuern zu verrechnen waren, zog sich in Süddeutschland
über Jahrzehnte hin. Und nicht zuletzt befand sich die Landwirtschaft selber in einem
Jahrhundert, das den Ubergang vom Agrarstaat zum Industriestaat brachte, in einem permanenten
Prozeß der Modernisierung und zumal der Anpassung an kapitalistische Wirtschaftspraktiken
, denen namentlich kleinere Betriebe nicht immer gewachsen waren. Hier
dann auch die Hauptschwierigkeit, der sich der Verfasser gegenübergestellt sah, die so
unterschiedliche Strukturierung der Landwirtschaft, die in einer Arbeit von so weitem
Rahmen nicht voll berücksichtigt werden konnte. Auf das Steuersystem bezogen: Es
mochte im Ganzen vernünftig gewesen sein, im einzelnen und insbesondere bei Kleinlandwirten
aber doch zu jenen „Detail-Ungerechtigkeiten" geführt haben, die dann manchen
Zusammenbruch zur Folge hatten oder zur Auswanderung zwangen, dies insbesondere
dann, wenn zu den an sich erträglichen Staatssteuern noch Abgaben an Kreis und Gemeinde
, Zinslasten für allzu optimistisch aufgenommene Kredite oder gar Mißernten
kamen. Im ganzen: Es ist Steitz gelungen, das System der Realbesteuerung, seine finanztheoretische
Fundierung, seine Entwicklung und praktische Anwendung wie auch seine
endgültige Etablierung gegenüber älteren Abgabenformen unter Aufarbeitung einer immensen
Literatur, Quellen eingeschlossen, zu beschreiben und dank zahlreicher Tabellen
und Schaubilder auch dem weniger fachkundigen Leser einsichtig zu machen. Hilfreich
seine Zwischenbilanzen und dann ein Anhang, der u. a. freilich auch zeigt, daß Steuergesetze
und Sprache der Finanzbürokratie wohl immer schon wenig Rücksicht auf das
Begriffsvermögen des Steuerzahlers nahmen.

Mainz Hugo Lacher

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