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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0246
Neues Schrifttum

ausländischen Übersetzungen nunmehr auch in dritter deutscher Auflage vor. Die erste
Auflage kam 1935 heraus, als noch Wirtschaftshistoriker und Wirtschaftstheoretiker in
zwei feindliche Lager gespalten waren. Die 2. Auflage erschien nach mehr als 30 Jahren,
1966, als sich im internationalen Rahmen die Anfänge einer quantitativen Wirtschaftsgeschichte
abzuzeichnen begannen. Jetzt ist seit Jahren der Brückenschlag zwischen Theorie
und empirischer Forschung vollzogen, was nicht zuletzt auch ein Verdienst von Wilhelm
Abel ist.

Sein Buch umfaßt den Zeitraum vom beginnenden 13. Jahrhundert bis nahe an die
Gegenwart. Der im Titel ausgewiesene territoriale Rahmen, nämlich Mitteleuropa, wird
jedoch hier und da überschritten und reicht teilweise von Galizien bis Spanien und von
Norwegen bis Italien. Methodisch stellt Abels Werk eine geradezu klassisch zu nennende
quantitativ angelegte wirtschaftsgeschichtliche Forschungsarbeit dar, klassisch im doppelten
Sinne, weil im Mittelpunkt der Untersuchung - wie einst bei den Klassikern der
Nationalökonomie - das Phänomen des Marktpreises und sein Schwanken steht. Im Anhang
ist hierzu das wichtigste Datenmaterial, sind Agrarpreisreihen von 1201 bis 1940
(warum nicht bis 1970?) abgedruckt. Ziel von Abels Darstellung war es von Anbeginn, die
Preisbewegungen für Agrarprodukte sowohl in ihren kurzfristigen Schwankungen als auch
in ihren langfristigen, säkularen Bewegungen rational zu erklären. Dabei beschränkt er
sich aber nicht darauf, nur den von den Ökonomen dafür als relevant erkannten „Datenkranz
" auf der Angebotsseite (Klima, Ernteschwankungen, Produktivitätsfortschritte, wirtschaftsexogene
Sachverhalte usw.) sowie die die Nachfrageseite beeinflussenden Faktoren
(Bevölkerungsbewegung, Wandlungen des Verbrauchs u. a. m.) zu durchleuchten. Er wollte
stets mehr bieten als eine historisch-quantitative Preisanalyse. Untersucht werden ebenfalls
die Entwicklung der Grundrenten, die der Agrareinkommen, Güterpreise, Löhne, Auswirkungen
auf die bäuerliche Lebenshaltung, die Absatzwege, auftretende Preisscheren
und nicht zuletzt - insbesondere in der vorliegenden 3. Auflage - die Verteilung der
landwirtschaftlichen Betriebsgrößen sowie die Wechselbeziehungen zwischen Agrarver-
fassung und landwirtschaftlichen Aktivitäten. Methode und Materialfülle machten jedoch
Abels Werk nicht zu einer trockenen, schwer lesbaren mikro- und makroökonomischen
Datenanalyse. Der Historiker Abel schreibt nicht nur eine lebendige Feder, sondern gibt
vor allem durch den Rückgriff auf zeitgenössische Quellenzitate und -interpretationen
sowie deren Kommentierung seiner Darstellung historische Farbigkeit.

Dem Umfang nach erfuhr die 3. Auflage gegenüber der 2. (301 S.) nur eine verhältnismäßig
geringfügige Erweiterung. Eingebaut wurden u. a. neuere regionale und sektorale
Erkenntnisse zur Lohnhöhe und Preisentwicklung während Spätmittelalter und früher
Neuzeit. Neu ist Abels Stellungnahme zum gegenwärtig debattierten Terminus „Feudalkrise
" (S. 45-46), zuerst übrigens nach dem 2. Weltkrieg von der sowjetmarxistischen
Agrargeschichtsschreibung in die Diskussion gebracht. Ebenso wie Abel vermag auch der
Rezensent für das 14./15. Jahrhundert keine fundamentale institutionelle Krisis des Feudalsystems
zu erkennen. Es gab ökonomisch bedingte Krisenerscheinungen, auf die man
aber im Rahmen des Systems und im Interesse seiner Stabilisierung zu reagieren vermochte.
Bei der Beurteilung der Lage der Bauern im Hochmittelalter revidierte Abel etwas seine
sich ursprünglich an Lamprecht und Below anlehnende Auffassung. In der 2. Auflage
schrieb er, „daß die steigende Grundrente vornehmlich den Bauern zufloß". Aufgrund von
M. M. Postans Feststellung (1967), daß „das Nettoprodukt einer durchschnittlichen mittelalterlichen
Kleinbesitzung nur eben hinreichte, eine Familie am Rand der Existenzmöglichkeiten
zu halten", hat Abel in der 3. Auflage sein generelles Urteil einschränkend differenziert
, indem er schrieb, „daß die steigende Grundrente auch (! W.B.) Bauern zufloß, sofern
ihre Höfe nicht zu klein ... waren". Mittlere und größere Bauernwirtschaften waren
demnach im hohen Mittelalter Nutznießer steigender Grundrenten, und das waren im
deutschen Raum gewiß nicht wenig Betriebe. Doch Abel will weiter einschränken und
meint, daß das nur für Betriebe mit fixierten Geldabgaben zuträfe. Diese Einschränkung
aber geht zu weit. Auch Betrieben mit fixierten Naturalabgaben, nicht jedoch mit Teil-

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