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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1978/0249
Besprechungen

rische Nachkommenschaft in die Nationalbibliothek in Budapest gelangt sind, um Stücke
aus dem Archiv der Familie Roth von Schreckenstein in Billafingen (darunter Briefe des
Heidelberger Historikers Friedrich Christoph Schlosser) und dann vor allem um einen
Fundus aus dem Archiv der Familie Napoleon in Schloß Prangin am Genfer See: 82
Briefe Stephanies an die Adoptivschwester Hortense, 20 Briefe an Louis Napoleon und
80 Briefe an Kaiserin Eugenie, die nicht nur in den Text eingearbeitet wurden, sondern
auch mit wesentlichen Auszügen oder Inhaltsangaben im Anhang zusammengestellt sind.
Bedeutsam wurde das fortdauernd herzliche Verhältnis zu den Bonapartes im letzten
Lebensabschnitt Stephanies, nachdem Louis Napoleon das französische Kaiserreich erneuert
hatte. Stephanie, die in ihren späteren Jahren immer mehr politische Neigungen
entwickelt harte, bekam Gelegenheit, in Fragen von europäischer Tragweite gehört zu
werden und als Mittlerin zwischen Deutschland und Frankreich in Erscheinung zu treten.

Zur Affäre „Kaspar Hauser" tragen die neuerschlossenen Quellen nichts Neues bei.
Haas zählt nicht zu den Autoren, die dem unterstellten Mutter-Sohn-Verhältnis zwischen
Stephanie und dem Nürnberger Findling Glaubwürdigkeit zumessen. Den Sachverhalt
bringt er mit den Argumenten der Gegenseite in „gebotener Kürze", und er beruft sich
dabei auf eine Äußerung der Großherzogin gegenüber Napoleon III., mit der sie die ganze
Spekulation als „unsinnig" ins Reich der Fabel verwies.

Zu loben ist an dem Buche auch die drucktechnische Ausstattung und die reiche
Bebilderung.

Übrigens ist 1977 in Paris aus der Feder von Francoise de Bernardy eine weitere Lebensbeschreibung
(Stephanie de Beauharnais, fille adoptive de Napoleon, grande-duchesse
de Bade) erschienen, die ihre Akzente einem französischen Leserpublikum anpaßt.

Karlsruhe Werner Schulz

Holger Lakies - Gisela Lakies-Wild: Das Phänomen. Entwicklungspsychologisch bedeutsame
Fakten des Hauser-Mysteriums, Ansbach: Ansbacher Verlagsgesellschaft mbH
1978, 248 S.

Die Literatur über Caspar Hauser ist schon wieder um ein Werk vermehrt worden.
Man mag dies verstehen, weil der Fall des eigenartigen Findlings, der 1828 als offensichtlich
vernachlässigter Jüngling ohne Kenntnis seiner Herkunft und mit lediglich frühkindlichem
Sprachschatz auftauchte, rasche Fortschritte in der Bildung machte, 1833 dann
aber einem Attentat zum Opfer fiel, noch immer voller Geheimnisse steckt. Deutungen
und Hypothesen reichen vom bloßen Betrugsverdacht bis hin zur Annahme fürstlicher,
womöglich badischer Abkunft. Hier weitere Klärungen zu bringen, ist nicht die Absicht
des vorliegenden Buches, das die Betrügertheorie strikt ablehnt, der badischen Abstammungstheorie
aber gewisse Sympathien entgegenbringt. Verfolgt wird dagegen die entwicklungsgeschichtliche
Relevanz der Äußerungen von und über Hauser mit dem Ergebnis
, eine ursprüngliche Unterweisung bis zum 4. bzw. 6. Lebensjahr sei wahrscheinlich,
dann müsse durch eine nahezu totale Isolierung ein rapider Rückschritt eingetreten sein.
Entsprechend der inzwischen geschehenen Reifung sei bei der Resozialisierung ein ungeahnt
rascher Lernfortschritt etwa bis zum Kenntnisstand eines Zwölfjährigen eingetreten
. Weiteres Lernen sei mühsam und ohne schnelles Fortschreiten geblieben. Wie überhaupt
die ursprüngliche Ehrlichkeit einer gewissen Undurchsichtigkeit Platz gemacht
hätte. Es wird daraus einmal die Bestätigung für die Theorie der Benachteiligung von
Kindern aus Unterschichten ersehen, andererseits ein Beispiel für die negativen Folgen
einer Umwelt abgeleitet mit dem Seitenhieb auf die Gesellschaft der Gegenwart, keineswegs
besser zu sein, sondern „ein Höchstmaß an Anpassung an die sozialen Gegebenheiten
" zu fordern. So ergibt sich für die Autoren der Schluß, „die bestehende Gesellschaft
" ließe sich mit dem Satz charakterisieren: „Jeder für sich und alle gegen Jeden."

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