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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1981/0027
Owingen 1584

Weitungen derartiger Ansprüche durch Untergeordnete zu verhindern suchen wird.
Somit können sich aus den widerstreitenden Interessen der einzelnen Herrschaftsträger
durchaus >Freiräume< ergeben, die von den bäuerlichen Produzenten selbst für die
Durchsetzung eigener Interessen strategisch ausgeweitet werden können. Die Konkurrenz
der Herrschaftsträger vermag so objektiv die Bauern schützende Tendenzen zur
Folge haben.

Als weiteres, nur teilweise durch die Klassenbeziehungen bestimmtes Konfliktfeld
ergibt sich die Integration der bäuerlichen Ökonomie in den Markt. Diese ist in weitem
Umfang durch die Monetarisierung der Abgaben sowie durch den notwendigen Verkauf
eines Teils der Produkte, um nicht selbst produzierte, aber notwendige Güter und
Dienstleistungen zu erwerben, bedingt und kann daher als sekundäre Marktintegration
bezeichnet werden35. Da sie unter den Vorzeichen eines gebrauchswertorientierten
ökonomischen Kalküls stattfindet, kann sie zu den von E. P. Thompson in seiner Studie
>The Moral Economy of the English Crowd in the 18th Century< ausführlich analysierten
Konflikttypen führen36.

Neben diesen verschiedenen >Verteilungskämpfen< um knappe Ressourcen und den
bäuerlichen Surplus ist jedoch noch ein weiteres, weniger eindeutig ökonomiebestimmtes
Konfliktfeld zu benennen. Wie bereits herausgearbeitet, stellt das Dorf eine soziale
Einheit von relativer Autonomie dar, die durch die Beziehungen zur Herrschaft
vorstrukturiert und begrenzt ist. Die Grenzen dieser relativen Autonomie sind nun
jedoch zwar durch die Herrschaft fixiert, aber nicht garantiert. Sie können daher
aufgrund herrschaftlicher Machtbefugnis verschoben, das heißt in der Regel enger
gezogen werden - allerdings meist nur um den Preis des Konflikts, wobei hier in
besonderem Umfang Vorstellungen von gerechter Herrschaft handlungsorientierend
und -legitimierend werden können, in denen meist Vorstellungen von Schranken und
Bereichen enthalten sind, die durch die Herrschaft nicht überschritten oder tangiert
werden dürfen. In der Regel kann in derartigen Konflikten erwartet werden, daß sich der
Widerstand unter Nutzung von dörflichen Strukturen und Institutionen und, sofern er
die Ebene eines einzelnen Dorfes übersteigt, als Assoziation der beteiligten Dörfer
formiert. Dabei können insbesondere dörfliche Amtsinhaber und sonstige Mitglieder der
dörflichen Oberschicht sowie Personen, die an der Nahtstelle zwischen Dorf und
Herrschaft sitzen37, entscheidende (strategische) Positionen innehaben; deren weiterund
insbesondere in stärkerem Umfang über das Dorf hinausreichende Sozialbeziehungen
können nämlich im Konfliktfall zur Verbesserung der Erfolgschancen genutzt
werden.

Nachdem nun versucht wurde, die für bäuerliche Gesellschaften spezifischen Felder
möglicher Konflikte zu bestimmen, wobei noch zu betonen wäre, daß diese nicht
gegeneinander abgeschottet sind und daher durchaus Verbindungen, Überschneidungen
und Überlagerungen der einzelnen Konfliktfelder und Spannungszonen auftreten
können, möchte ich am Schluß dieses Kapitels noch kurz auf ein Problem eingehen.

Die DDR-Geschichtswissenschaft, die bäuerlichen Widerstand schon lange vor den
bundesrepublikanischen Historikern zum Thema ihrer Forschungen gemacht hat,

35 Im Gegensatz zu einer primären Marktintegration und ausschließlicher Marktorientiertheit der
Produktion bei (agrar-kapitalistischen Verhältnissen.

36 Thompson, >Moralische Ökonomie< (wie Anm. 31), S. 67-130.

37 Auch hier spielt natürlich die konkrete Form der Rekrutierung derartiger Funktionsträger eine
entscheidende Rolle.

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