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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1981/0081
Owingen 1584

Surplusabschöpfung dieses prekäre, die ökonomischen Praktiken regulierende307
Gleichgewicht von Produktion und Konsumtion oder behindern Herrschaftsakte die
Erreichung dieses Gleichgewichts massiv, so verliert Herrschaft ihre Legitimität, ist der
Untertan von seiner abstrakt anerkannten Gehorsamspflicht entbunden und Widerstand
legitim; dieser Widerstand stellt allerdings - auch dies sollte beachtet werden -
Herrschaft nicht generell in Frage, sondern ist begrenzt auf einen Widerstand gegen
gebott und verbott, die von wegen abbruch der nahrung und veldtgeschefften zue halten
unmüglich und verderblich™.

Da das System der Familienökonomie, das demnach als »harter ökonomischer Kern«
(Hans Medick) der Vorstellung von »gerechter Herrschaft« und legitimem Widerstand
gelten kann, zwar autonom (d.h. nach einer ihm eigentümlichen ökonomischen
Rationalität funktioniert), aber nicht autark ist, hängt mit diesem Begriff von gerechter
Herrschaft ein Begriff gerechter Ökonomie zusammen, der sich vor allem im Problem
der Marktintegration manifestierte.

Diese sekundäre Marktintegration309 war zum einen für die Aufrechterhaltung der
bäuerlichen Ökonomie sowie wegen der monetären Abgaben notwendig, sah sich
andererseits aber, wie bereits dargestellt, durch die Herrschaft behindert310: Sonder
muessen wir auch neben den dreyundachzig gülden frohnschillig und andere auf unser
und unsers gesinds beschlaufung und lidlohn, auch underhaltung schirr und geschirrs
gegen Schmiden, wagnern, saylern, Sattlern, schneidern, schuchmachem und andern
teglichen notturften vil aufwenden. Das könden wir ja änderst nit uberkommen, dann aus
nutzlichem verkaufen desjenigen, so wir erzeugen und fürsparen. Wie ain ieder verstendi-
ger leuchtlich zu erachten, daß wir also neben oberzelten merklichen beschwerden unser
brot und nahrung so hartselig und kumberlich gehaben, das es wol zu erbarmen, in der
harr uns aber beschwerlich ist .

Da diese sekundäre Marktintegration unter den Vorzeichen des gebrauchswertorientierten
ökonomischen Kalküls der Familienökonomie stattfand, muß auch das Marktgeschehen
unter diesem Aspekt betrachtet werden: Was uns auch zu Hechingen unverkauft
überbleibt, derfen wir dannocht nicht änderst wohin verkaufen, vilweniger die ainmal
alhin gefüerte früchten widerumb von dannen fueren. Dahero dann volget, daß vilmal zu
Hechingen unsere fruchten durch andere fürkeufer abgewürget und dann von denselbi-
gen an andere orth verfürt und vil höcher verkauft werden, wellicher gewinn vülbillicher
uns armen leuthen bleiben und gegonnet werden sollte112.

307 Siehe oben S. 18, S. 20, S. 33.

308 Andererseits ist jedoch auch festzuhalten, daß ein so gefaßter Begriff von legitimem Widerstand
gegen Herrschaft hinreichend formal definiert ist für eine inhaltliche Ausweitung des Widerstands
. Er darf daher nicht als eine feststehende Grenze verstanden werden, jenseits der
Herrschaft als legitim akzeptiert wird, sondern ist eher zu sehen als ein strategischer Ansatzpunkt
für eine Ausweitung bäuerlichen Widerstands gegen Herrschaft. Die weiteren Aufstände
in der Grafschaft Zollern und die in diesen stattfindende Ausweitung des Konfliktbereichs sind
ein mehr ab deutliches Indiz hierfür.

309 Zum Begriff siehe oben S. 23.

310 Siehe oben S. 53, S. 56, S. 57.

311 STAS Ho 1 C II 2 b Nr. 5 fol. 294v-295r.

312 STAS Ho 1 C II 2 b Nr. 5 fol. 291 r. Diese Ausführungen haben auf den ersten Blick viel mit dem
von E. P. Thompson (wie Anm. 31) für die englischen Unterschichten herausgearbeiteten
Modell der >moralischen Ökonomie< gemein. In beiden Fällen wird der spekulative, rein auf
Gewinn orientierte Fürkauf verurteilt und der Markt als Ort der direkten Vermittlung zwischen
Produzent und Konsument betrachtet. Gleichzeitig aber ist ein entscheidender Unterschied in

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