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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1981/0143
Herrschaft Hertingen

den Titel »Ritterhauptmann« gab, oblag es, die Ritterkonvente auszuschreiben und sie
zu leiten. Zugleich hatte er laufend die Kantonskanzlei zu beaufsichtigen.

Die Kantone unterhielten Kanzleien, in denen Advokaten und Schreiber die Verwaltung
der Rittertruhe und der Archivalien zu erledigen hatten. Die Angestellten mußten
Schreiben vorbereiten und erledigen, denn meistens war der Ritterhauptmann nicht in
dem Ort ansässig, in dem sich die Kanzlei befand. Sie war vorwiegend in angemieteten
Gebäuden untergebracht. Die fast in allen Kanzleien anzutreffenden Angestellten waren
die Syndici, die Konsulenten, die Sekretäre, die Registratoren, die Kassiere, die
Ritterboten und die Steuereinnehmer. Aus ihrer Betitelung lassen sich die jeweiligen
Aufgabenbereiche ablesen. Die eigentliche Aufgabe der Kantone bestand darin, die
durch ein kaiserliches Privileg erhaltene Steuer- und Militärhoheit zu verwalten. In
anderen Angelegenheiten konnte ein Mitglied dort nur wenig Hilfe erwarten und mußte
sich selbst zu helfen wissen. Konkret sah die Aufgabe der Ritterkantone so aus, daß sie
die ihnen auferlegte Steuer auf ihre Mitglieder umlegten. Die Steuern waren nur von Fall
zu Fall an den Kaiser zu entrichten, sie wurden Charitativsubsidien genannt. Eine
weitere Aufgabe war die Aufsicht über die zum Verkauf anstehenden Rittergüter. In
einem Retraktrecht besaßen die Ritterschaften das Vorkaufsrecht bei einem Verkauf der
Güter eines ihrer Mitglieder. Selbst nach 3 Jahren konnten sie ein an einen Nichtritter
verkauftes Gut zu dem gleichen Preis wieder zurückkaufen. Unter dieses Recht fällt
auch, daß veräußerte Güter, die nun nicht mehr einem ritterlichen Herrn gehörten,
weiterhin der Besteuerung des Kantons unterworfen blieben. Zahlreiche Streitigkeiten
ergaben sich zwangsläufig daraus, weil die zu besteuernden, aber nicht mehr in
Ritterhand stehenden Güter auf dem Ritterkonvent, der die Steuersätze festlegte, nicht
vertreten waren. Trotz Retraktprivileg gingen viele Besitzungen verloren, weil die
Kantonsmitglieder einfach nicht in der Lage waren, sie zu erwerben.

Was die Aufsicht über die Jurisdiktion ihrer Mitglieder betraf, konnte kein Kantonsorgan
dort bei dem einzelnen Ritter eingreifen. Nicht faßbar für die Kantone waren die
zahlreichen Herrschaftsrechte seiner Mitglieder, die allerdings oft von den Reichsständen
streitig gemacht wurden, und hier wendete sich der einzelne Ritter an sein
Kantonsdirektorium oder an den Ritterhauptmann, die ihn oder die Rechte eines seiner
Gerechtsamen zu verteidigen hatten32. Da die Reichsritter fast unbeschränkt in ihren
Herrschaftsgebieten schalten und walten konnten, ist es notwendig, auch kurz einen
Blick auf diese Verhältnisse zu werfen.

5.3 Zustände in den Herrschaftsgebieten der Reichsritter

Es gibt, was die inneren Verhältnisse in den Reichsritterschaften betrifft, ganz
entgegengesetzte Meinungen. Müller bescheinigt den Rittern im allgemeinen einen
schlechten und verantwortungslosen Lebenswandel und bezeichnet sie gegenüber ihren
Untertanen als »arge Jagdwüteriche und Bauernquäler«33. Er meint, daß gerade die
persönliche Nähe der Untertanen zu ihrem Herrn oder ihren Beamten eine direkte
Beaufsichtigung erleichterte34. Die schlechte Lage der reichsritterschaftlichen Unterta-

32 Die Informationen zu diesem Abschnitt habe ich vorwiegend aus folgenden Literaturangaben
bezogen: Hellstem) (wie Anm. 29), S. 1-162; H. Müller (wie Anm. 26), S. 1-19; Neff (wie
Anm. 27), S. 163-165; Weiss (wie Anm. 31), S. 290-296.

33 H. Müller (wie Anm. 26), S. 24. Vgl. neuerdings Gerd Kollmer (wie Anm. 20).

34 Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt Theodor Knapp, Der schwäbische Adel und die
Reichsritterschaft, in: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte, 31 (1922-24),
S. 171.

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