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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1981/0225
Besprechungen

von diesen Systemveränderungen her deduktiv die Rechtsformen ableitet, darüber freilich Einzeldifferenzierungen
vielfach übersieht und ideologisch gefärbte Pauschalbehauptungen an die Stelle
quellenorientierter Behauptungen treten läßt, geht Stump eher umgekehrt vor. Er diskutiert
ausführlich die gesetzlichen Regelungen über Verfassung, Verfahren und Zuständigkeit der
Rechtsschutzinstanzen, auch deren komplizierte Ausbildung im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens
; er beleuchtet ihre Erprobung anhand von Einzelfallentscheidungen des Preußischen
Oberverwaltungsgerichts (OVG), und zieht dafür - was, am Rande bemerkt, für einen Rechtshistoriker
durchaus noch keine Selbstverständlichkeit ist - auch handschriftlich überlieferte Quellen
(Urteilsserien im Geheimen Staatsarchiv Berlin-Dahlem) heran. Aber hier bleibt Stump nicht
stehen; seine Analysen bleiben nicht positivistisch-isoliert, sondern werden ständig anhand der
jeweiligen gesellschaftlichen Kräfte überprüft und an ihnen gemessen. Auf diese Weise werden
Pauschalbehauptungen von vorneherein vermieden. Die in den frühen Jahren der Kaiserzeit noch
sehr deutlichen Auseinandersetzungen zwischen liberalen und konservativen Strömungen, wie es
besonders in Preußen zu belegen ist, begegnen auf Schriff und Tritt bis in detailliertere gesetzliche
Regelungen, so daß letztere geradezu als Spiegelbild der jeweiligen gesellschaftlichen Situation
erscheinen. Die anfangs starke Position der Liberalen führte 1875 erstmals zu einem vergleichsweise
umfassenden Ausbau der Verwaltungsinstanz. Nicht nur das in seiner Existenz nicht mehr
umstrittene OVG, sondern auch die Mittelinstanzen werden zu einem Teil aus dem Verwaltungsapparat
ausgegliedert und zu unabhängigen Gerichtsinstanzen. Mit der Zweigleisigkeit des
Rechtsschutzweges durch Aufspaltung in Beschlußsachen, bei denen es um die Uberprüfung der
Notwendigkeit und Angemessenheit von Verwaltungshandeln ging, und in Verwaltungsstreitsachen
, bei denen nur die Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte beurteilt wurde, entstand eine in
weiten Zügen liberal geprägte Regelung, die den Interessen des Staates an einem reibungslosen
Funktionieren der Verwaltung unter dem Gesichtspunkt des Gemeinwohls ebenso Rechnung trug
wie den Interessen des Einzelnen an der Gewährleistung eines subjektiven Rechtsschutzes. Die
Kompliziertheit der Regelung, vor allem in der Aufspaltung der Mittelinstanz in den verwaltungsabhängigen
Bezirksrat - für Beschlußsachen - und das von der Verwaltung auch personell getrennte
Bezirksverwaltungsgericht - für Verwaltungsstreitsachen -, wurde, da die genannten Gremien
neben die bereits bestehenden Verwaltungsbehörden traten, zum Angelpunkt der Kritik. Das
Erstarken des konservativen Lagers nach 1876 führte deshalb auch bald zu »Reform«-Vorschlägen,
die, wenn auch nicht offen sichtbar, eher den Charakter von Restaurierungsvorschlägen hatten,
denen der Vereinfachungsgesichtspunkt nur noch als Vorwand für eine Neuregelung galt. 1883
schließlich wurden die beiden Instanzen in einem einzigen Bezirksausschuß zusammengeht, ein
Schritt, der zwar noch Kompromißcharakter trug und den konservativen Interessen nicht völlig
Rechnung trug, der aber doch, was Stump im einzelnen nachweisen kann, die Möglichkeit eröffnet,
den privaten Rechtsschutz zugunsten des Verwaltungsstandpunktes zu beschneiden. Stump stellt
fest (z. B. S. 202), daß der ehemals umfassende Einfluß der neugeschaffenen Bürokratie »Verwaltungsgerichtsbarkeit
« reduziert und zu einem Teil auf die Verwaltung zurückverlagert wurde.
Immerhin waren, wie Stump im einzelnen darlegt, jedenfalls beim preußischen OVG die Bedingungen
für eine verwaltungsunabhängige Rechtsprechung gegeben; dies nutzte das OVG, um den
Einfluß der Verwaltungsgerichte zu Lasten der verwaltungsinternen Instanzen etwas auszudehnen:
Auch die »Notwendigkeit« einer durch Polizeiverfügung angeordneten Verwaltungsmaßnahme,
deren Überprüfung nach den gesetzlichen Vorschriften nur durch Beschlußverfahren ohne
Gewährung effektiven Rechtsschutzes an den Einzelnen möglich war, konnte danach im Verwaltungsgerichtsverfahren
überprüft werden, sofern ein »Ermessensfehler« der Verwaltung vorlag -
eine Lehre, die bis in die jüngste Zeit nachgewirkt hat.

Es kann hier nicht der Ort sein, den Analysen des Bandes im einzelnen nachzugehen, was
ohnehin eher in einer juristischen Fachzeitschrift geschehen müßte. Hingewiesen sei darauf, daß
sich der logisch-systematische Aufbau der Arbeit, der zwar den umfangreichen Stoff sehr detailliert
aufgliedert, aber doch den roten Faden nicht aus den Augen verliert, sehr zum Voneil der
Untersuchung auswirkt. Die in sachlicher Diskussion mit jeweils gegensätzlichen Ansichten
gewonnenen Ergebnisse sind überprüfbar, da sie in logischen Gedankengängen Stück für Stück
entwickelt und historisch belegt werden. Stump vermeidet es, einen statistisch angelegten Zustands-

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