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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0091
Die gewerbliche und industrielle Entwicklung im Haigerlocher Raum

inzwischen eingestellt worden sei. Gleichzeitig empfahl er, nicht weiter gegen Meyer und
Kober vorzugehen, um nicht eine nochmalige Stillegung des Fabrikbetriebes zu riskieren, mit
der niemandem gedient wäre. Die ungünstigen Standortbedingungen bestünden in verkleinertem
Ausmaß wie zu Zeiten der fürstlichen Verwaltung weiter395.

Der Oberamtmann argumentierte mit rein volkswirtschaftlich-materiellen Motiven. Der
Schreiber in den »Hohenzollernschen Blättern« dagegen sprach die gesundheitliche Seite der
Jugendarbeit und die sittliche Gefährdung dieser Altersgruppe an. Er appellierte an das
Gewissen der Eltern, ihre Kinder für einen niedrigen Lohn nicht unter solchen Bedingungen
arbeiten zu lassen. Aus heutiger Sicht muß man natürlich dem Schreiber in den »Hohenzollernschen
Blättern« zustimmen.

Im April 1867 waren in Karlstal neun Arbeiter unter 16 Jahren zu denselben Bedingungen
wie Erwachsene beschäftigt. - Die Arbeitszeit für Jugendliche war in einer Verfügung desselben
Jahres auf höchstens zehn Stunden beschränkt worden. Meyer wollte von dieser Bestimmung
einen Dispens:

Bei dem anerkannt kraftigen Schlag Leute hiesiger Gegend und namentlich bei der fast
ausschließlichen Landbevölkerung wie unsere Fabrikarbeiter ist eine so leichte Beschäftigung
wie das sogenannte >Aufstecken<, bei dem eine stetige Abwechslung von Sitzen, Stehen und
Gehen stattfindet, der körperlichen Entwicklung gewiß in keiner Weise schädlich.

Neben dem von Meyer erwähnten Aufstecken wurden die Jugendlichen angestellt zum
Andrehen der Spulen, zum Verlesen der Baumwollflocken, zum Abnehmen der gesponnenen
Garne, zum Reinigen der Räume.

Meyers Begründung, weshalb er die Jugendlichen länger arbeiten lassen wolle als die
gesetzliche Höchstgrenze es erlaube, war folgende: Die Arbeiten der Jugendlichen stünden in
einem solch engen Zusammenhang mit denjenigen der Erwachsenen, daß, solange die Spinner
arbeiteten, auch die Hilfsdienste der Jugendlichen erforderlich seien. Auch in Konkurrenzunternehmen
und als die Fabrik unter fürstlicher Verwaltung gestanden hätte, seien Arbeiter jener
Altersklasse als Vollzeitkräfte beschäftigt gewesen. Ein weiteres Argument Meyers war, daß
Jugendliche im Alter von 14 bis 17 Jahren am leichtesten als Arbeiter zu bekommen seien. Später
würden sie sich verdingen oder seien in der Landwirtschaft tätig. Für das Jahr 1867 wurde
Meyer genehmigt, für die Dauer von drei Wochen jugendliche Arbeiter täglich elf Stunden
einzusetzen.

Im Jahr 1871 arbeiteten in Karlstal zwölf Arbeiter unter 16 Jahren, je sechs weibliche und
männliche. Zehn der Jugendlichen stammten aus Trillfingen, einer aus Haigerloch, einer aus
Bittelbronn. Eingetreten in die Spinnerei waren elf mit 14 Jahren, einer bereits mit zwölf Jahren.
Die Eltern bzw. Vormünder waren von Beruf: 4 Bauern, 1 Maurer, 1 Schmied, 1 Steinhauer,
1 Drechsler, 1 Nachtwächter und 3 Witwen. Ob diese ebenfalls in Karlstal angestellt waren,
konnte nicht festgestellt werden. Die Beschäftigung der Jugendlichen ist sehr wahrscheinlich
auf die finanziell minder bemittelten Eltern zurückzuführen. Die Jugendlichen waren tätig im
Vorwerk (1), beim Haspeln (1) und am Spinnsei (zu verspinnende Rohbaumwolle) (10).

Die Arbeitszeit betrug bei einigen der Jugendlichen täglich bis zu 12V2 Stunden. Diese lange
Arbeitszeit war gesetzeswidrig. Die Fabrikbesitzer wurden unter Androhung einer Anzeige bei
der Polizei bei künftigen derartigen Vorkommnissen vom Oberamtmann von Haigerloch
verwarnt. Bis Juni 1872 war der Mißstand beseitigt. Es wurden fortan nur noch Mädchen über
14 Jahren beschäftigt, die der Schulpflicht ausreichend nachgekommen waren396.

Im Jahre 1886 kam es wiederum zu einer Klage wegen der Beschäftigung Jugendlicher in
Karlstal. Am 9. Juli jenes Jahres schrieb der Erste Staatsanwalt des Landgerichts Hechingen
wegen folgender Punkte an den Regierungspräsidenten von Sigmaringen:

395 SAS, Ho 235, Pr. Reg. I, VI, P, 889.

396 Ebd. Ho 202, POAH 1555.

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