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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1982/0238
Gerd Friedrich Nüske

ist ein sicheres Indiz dafür, daß auf amerikanischer Seite gar nicht an die Erhaltung der
württembergischen Landeseinheit gedacht wurde, solange man sich dabei mit den Franzosen
hätte einigen müssen. Ohne auf die Vorgänge des Zusammenschlusses von Württemberg-Baden
durch die Amerikaner hier noch im einzelnen eingehen zu wollen, bleibt festzuhalten, daß die
Amerikaner eigentlich schon im August 1945 zumindest auf die Wirtschaftseinheit von
Württemberg und Baden festgelegt waren, also gar keine Alternative mehr offen ließen. Jeder
Widerstand, vor allem der von badischer Seite und von Heinrich Köhler, ließ die Amerikaner
ihren Druck nur noch verstärken.

Wie anders die Vorgänge in Tübingen. Hier hatten angesichts der noch ungewissen
Entwicklung und der ungeklärten Zuständigkeiten vor allem Vermutungen, Hoffnungen und
Gerüchte einen hohen Kurswert. Die französische Militärregierung, die inzwischen vom
Freudenstädter Hotel Waldeck nach Tübingen übergesiedelt war, tat ein übriges, um den Nebel
zu verdichten. Sie sprach von gewissen oberschwäbischen Kreisen, die versuchen würden, die
Gunst der Stunde zu nutzen. Offenbar hatte sich um den hohenzollerischen Regierungspräsidenten
in Sigmaringen eine Gruppe gebildet, die sich nachdrücklich gegen eine Unterstellung
unter die Stuttgarter Landesverwaltung wehrte. Auf der Gerüchtebörse erschien auch eine
»Republik Hohenzollern« sowie angebliche Aktivitäten des hohenzollerischen Fürstenhauses.
Dazu gehörte auch, daß die Franzosen vorübergehend Sigmaringen zum Sitz ihrer Militärregierung
machen wollten195. Auf den besonderen hohenzollerischen Aspekt dieser Ereignisse wird
noch zurückzukommen sein. Was aber die übrigen erwähnten und andere Gerüchte anbetrifft,
so entbehrten sie in aller Regel jeder Grundlage. Sie unterstrichen eigentlich nur, wie unsicher
die französische Militärregierung in Südwürttemberg und Hohenzollern war. Daran änderte
auch nichts, daß auf französischer Seite viel spekuliert wurde, die amerikanischen Truppen
würden in spätestens zwei Jahren Europa wieder verlassen und Frankreich könne dann einen
Großteil der amerikanischen Aufgaben übernehmen, also unter Umständen auch Gesamtwürttemberg
in eine nunmehr erheblich vergrößerte französische Besatzungszone in Deutschland
einbeziehen. Wieweit maßgebliche Franzosen an diese Möglichkeit tatsächlich glaubten, ist
schwer festzustellen. Immerhin waren dergleichen Spekulationen in gaullistischen Kreisen
nicht unbekannt gewesen. Im Zusammenhang mit Südwürttemberg und Hohenzollern bleibt
jedenfalls festzuhalten, daß die Franzosen erst Mitte September daran gingen, sich in Tübingen
einigermaßen zu installieren, nachdem in Stuttgart schon alle Entscheidungen gefallen waren.

Am 17. September 1945 schrieb Carlo Schmid an den Ministerpräsidenten von Württemberg
-Baden, Reinhold Maier, daß seit dem 15. September 1945 der Oberst Guillaume Widmer
in Tübingen als Gouverneur eingesetzt sei196. Schmid hatte dies offenbar erst im Nachhinein
erfahren. Später erinnert er sich: Die französische Militärregierung hatte ihr Hauptquartier von
Freudenstadt nach Tübingen verlegt. Mit Guillaume Widmer hatte sie einen neuen Chef

actual administration of North Baden from Stuttgart ... A further class of difficulties delaying the
Organization of the German Land Government arosefrom the uncertainty as to how to handle the several
administrative Services which overlap the French and American areas. Further confusing the complex
Situation has heen the constant stream of rumors of changes in the line of demarcation hetween French and
American zones. These special problems are discussed in detail in the Committee Report referred to ahove.
Beachtung verdienen im Zusammenhang mit der von den Amerikanern erwirkten Gründung des Landes
Württemberg-Baden auch die Berichte des amerikanischen Nachrichtendienstes OSS. Einige dieser
Dokumente finden sich übersetzt in: Zwischen Befreiung und Besatzung. Analysen des US-Geheimdienstes
über Positionen und Strukturen deutscher Politik 1945. Hg. von Ulrich Borsdorf und Lutz
Niethammer. Wuppertal 1976. Nr. 4 S. 58-77 (Stuttgart im Mai 1945), Nr. 13 S. 156-164 (Die politische
Lage in Württemberg. Ein vorläufiger Überblick. 2. 7. 1945) und Nr. 20 S. 254-272 (Politisches Leben in
Nord-Württemberg-Baden. L 12. 1945).

195 Vgl. Konstanzer (wie Anm. 164) S. 21.

196 Schreiben Schmids vom 17. 9. 1945 in: StA Sigmaringen Wü 2/3.

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