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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1983/0039
Zweihundert Jahre Schulen in der Pfarrei Walbensweiler

keiner Beziehung gehandhabt wird, indem vielfach Kinder theils unter 12 Jahren, theils zur
Nachtzeit zur Arbeit in der Glashütte verwendet werden. Solche Kinder sind nicht zum Lernen
aufgelegt. In diesem Jahr sind 1220 Schulversäumnisse zu verzeichnen, davon 419 ohne
Dispensu. Am 5. März 1874 wurde von einer Auseinandersetzung berichtet, wonach Kinder
über 12 Jahren acht Stunden beschäftigt werden, wobei nur 6 Stunden erlaubt wären.
Bürgermeister und Glasfabrikant führten als Entschuldigung an, es handle sich um eine leichte
Arbeit, für die Erwachsene nicht zu bekommen seien. Sie schlugen vor, die um 4.30 Uhr
morgens beginnende Arbeitszeit um eine Stunde zu verlängern und dafür den am Nachmittag
stattfindenden Unterricht um eine Stunde zu kürzen. Die Glasfabrik wies auf die Möglichkeit
zu Privatunterricht (!) hin und betonte, daß an Tagen mit Religionsunterricht Kinder auch am
Vormittag zur Schule geschickt würden.

Außer solchen Amtspersonen und Eltern waren auch Volkserzieher der Meinung, daß
häusliche Hilfe der Kinder dem Schulbesuch vorangehen müsse: Pfarrer Marx aus Walbertsweiler
legte im Jahre 1883 sein im staatlichen Auftrag ausgeübtes Amt als Lokalschulinspektor
nieder. Er glaubte es nämlich mit seinen Anschauungen nicht vereinbaren zu können, zu einem
regelmäßigen und geordneten Schulbesuch mitzuhelfen. Nach seiner Ansicht hätten die Kinder
zunächst ihre Eltern in der Arbeit zu unterstützen; erst nach Erfüllung dieser Pflicht sollten sie
zur Schule angehalten werden. Leider haben gewissenlose Eltern, sich auf diese Ansicht stützend,
eine gegen die Schule feindselige Haltung eingenommen und ihre Kinder über Gebühr auf
unverantwortliche Weise von der Schule wegbehalten, und so nicht nur das Gedeihen der
letzteren, sondern auch die körperliche und geistige Entwicklung ihrer Kinder auf eine ganz
gewissenlose Weise beeinträchtigt. Erst durch wiederholte Anwendung gesetzlicher Strafmittel
gelang es wieder, Ordnung in den Schulbesuch zu bringen13. Lokalschulvorstand war bis zum
Pfarrerwechsel im Jahre 1907 der jeweilige Pfarrer von Wald, so z. B. Pfarrer Diebold bei der
Ernennung der Näherin Anna Maria Schweikart zur Industrielehrerin (Handarbeitslehrerin)
am 7. 7. 1888 durch das Königlich Preußische Oberamt Sigmaringen.

1.3 Prüfungen und Visitationen

Prüfungen und Visitationen sind wiederholt aufgezeichnet worden, besonders in den ersten
Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Sie wurden durch den von der Regierung als Kommissar
bestellten Geistlichen unter Anwesenheit des Bürgermeisters und des Ortsschulpflegers
abgenommen. Bemerkenswert sind die Aufzeichnungen der beiden Schulgemeinden, wenn sie
der Reihe nach das Fuhrwerk für den auswärtigen Schulinspektor stellen mußten. Die
Aufzeichnungen darüber sind umfangreicher als über die Ergebnisse der Schulprüfungen! In
Walbertsweiler ist auch der Besuch eines Ministerialrats Dr. Esser aus Berlin im Jahre 1885
vermerkt, der in Aufsatz, Geographie, Geschichte, Rechnen und Singen prüfte. Dabei wies er
auf den Wert guter Anschauungsmittel hin, forderte zu deutlicherem und gepflegterem Sprechen
auf und verlangte beim Singen in wenig befriedigender Weise, daß die Kinder den Text
auswendig können müssen. Nach dem Turnen wurde nur gefragt und darauf hingewiesen, daß
im Winter verschiedene Turnübungen und zwar im Schulzimmer ausgeführt werden können.
Zum Schluß wurde die im Schulgarten befindliche Baumschule besichtigt. Dabei wurde darauf

12 StASigmaringen Akten: Die Schulangelegenheiten von Kappel. SAS I-XI 257/1. - Zur Fabrikarbeit
vgl. die Allerhöchste Verordnung vom 5. 4. 1838: Kinder dürfen in Nachtarbeit nur dann regelmäßig zwölf
Stunden beschäftigt werden, wenn sie das reife Alter von neun Jahren erreicht haben, oder die Ortspolizei
darf ausnahmsweise für Nachtarbeit der Kinder höchstens dreizehn Stunden zulassen nur im Falle eines
dringenden wirtschaftlichen Bedürfnisses. Zit. nach Rudolf Amelunxen, Das Kölner Ereignis. 1956.
S. 124.

13 Ortschaftsarchiv Walbertsweiler. Schul- und Ortschronik Walbertsweiler S. 10 f.

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