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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1983/0131
Württemberg-Hohenzollern als Land der französischen Besatzungszone

wurden. In Neustadt z.B. drückte der Chef der Provinzialregierung »les sentiments tres
franqais« der Pfalz aus. Das war kein echter französisch-deutscher Dialog. Hier antwortete nicht
Deutschland, sondern eine von der Niederlage noch betäubte, vom Sieger bestellte Vertretung
der besetzten Zone. Die in diesem falschen Zwiegespräch von Anfang Oktober 1945 zum
Ausdruck gekommene Sicht der deutschen Frage blieb auf sehr lange Zeit, bis zu Beginn dieses
Jahres [=1950], maßgebend die Haltung de Gaulies gegenüber Deutschland, ist es zum Teil bis
heute geblieben.

Anhand eines gleichsam neutralen Beobachters sollte hier deutlich gemacht werden, wie
sehr die Resonanz, auf die de Gaulle damals und gerade in Freiburg stieß, zeitgebunden war und
aus dem freudigen Empfinden derjenigen Deutschen erklärt werden muß, die damals als
Besiegte dem Chef einer Okkupationsmacht vorgeführt wurden, der ihnen - offenbar wider
Erwarten - freundlich begegnete. Im übrigen war die Überraschung durchaus auf beiden Seiten,
denn auch de Gaulle wunderte sich über die freudige Aufnahme, die er gerade in Freiburg
fand394. Die Begegnung mit dem Staatschef in Freiburg nahm auf deutscher Seite auch in
gewisser Weise legendenhafte Züge an. Ja in seiner Geschichtsträchtigkeit wurde de Gaulles
Freiburger Auftritt fast mit der berühmten Stuttgarter Rede des amerikanischen Außenministers
James F. Byrnes vom 6. September 1946 verglichen395. So ließ die Schwäbische Zeitung,
Leutkirch, noch 15 Jahre später einen historischen Rückblick auf das kleine Land Württemberg
-Hohenzollern mit einer ausführlichen Schilderung jenes französischen Empfangs in
Freiburg am 5. Oktober 1945 beginnen396.

Im übrigen spricht de Gaulle in seinen Memoiren einmal auch von angeblichen separatistischen
bzw. autonomistischen Bestrebungen in Teilen der angloamerikanischen Zone, nämlich
in Bayern, Niedersachsen und Württemberg, die die Amerikaner unterdrückt hätten397. Nicht

394 De Gaulle (wie Anm. 383) S. 220: in Bezug auf die begeisterte Aufnahme seiner Freiburger Rede bei
den deutschen Zuhörern: Dans cette atmosphere etonnante, j'en viens ä me demander si tant de batailles
livrees et tant d'invasions subies depuis des siecles par les deux peuples luttant l'un contre l'autre, tant
d'horreurs toutes recentes commises ä notre detriment, ne sontpas de mauvais reves. Comment croire qu'üy
ait eujamais chez les Germains, ä l'egard des Gaulois, autre cbose que cette cordialite dont on m'offre des
preuves eclatantesf Mais, sortant de la ceremonie pour me retrouver dans les rues demolies, au milieu d'une
foule douloureuse, je mesure quel desastre ce pays a dü subir pour ecouter, enfin, la raison.

395 Zur Neueinschätzung der Rede von Byrnes vgl. allerdings: John Gimbel: Byrnes Stuttgarter Rede
und die amerikanische Nachkriegspolitik in Deutschland, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 20 (1972)
S. 39-62.

396 »Vieles ist schon Geschichte geworden«, in Schwäbische Zeitung, Leutkirch, vom 1. 1.1957: Anfang
September 1945 hielt der französische General de Gaulle in Freiburg eine bemerkenswerte Rede. Projiziert
auf den Hintergrund der damaligen Zeit war es sogar eine sensationelle Rede; denn in seinen weithin
unbekannt gebliebenen Ausführungen sagte der General, Frankreich reiche dem geschlagenen Deutschland
die Hand und beide Länder müßten im Kampf gegen den Gegner aus dem Osten zusammenstehen. So
eindrucksvoll das Auftreten des französischen Offiziers vor einer stattlichen Anzahl Deutscher, die in
Militärkonvois aus allen Teilen der französischen Besatzungszone nach Freiburg gekommen waren, auch
war - seine Rede bedeutete kein Zäsur, wie im Jahre darauf die Ansprache des amerikanischen
Außenministers Byrnes in Stuttgart, die einen neuen politischen Abschnitt einleitete, indem sie ein Abgesang
auf denMorgenthau-Plan war. De Gaulles Rede stand in einem erregenden Kontrast zur deutschen
Wirklichkeit von 1945, die eine Welt des Entsetzens, der Hoffnungslosigkeit, des Hungers und der Angst
war. Unter den Deutschen, die Zeugen dieser Rede waren, befanden sich auch die Landesdirektoren aus dem
südlichen Württemberg...

397 De Gaulle (wie Anm. 383) S. 218: A l'ouest, les Americains, agissant ä l'entente des tendances
autonomistes que se faisaient jour en Baviere, en Basse-Saxe et en Wuerttemberg ... Diese Bemerkung de
Gaulles muß sich auf das Jahr 1945 beziehen, denn sie ist in einem Abschnitt enthalten, der der Erzählung
über seine große Deutschlandreise im Oktober 1945 vorgeschaltet ist. Der General verurteilt in diesem
Passus das Drängen der Amerikaner, die französische Besatzungszone der bereits bestehenden angloamerikanischen
Bizone anzuschließen und deutsche Zentralverwaltungen einzurichten. Das bedeute die

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