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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1983/0136
Gerd Friedrich Nüske

Die Besprechungen von Staatspräsident Gebhard Müller im Mai 1949 in Paris

Schon während der Amtszeit von Staatspräsident Lorenz Bock war die Reise einer
Delegation der Regierung von Württemberg-Hohenzollern nach Paris vorgesehen gewesen.
Freilich war es zu diesem Zeitpunkt - Mai 1948 - offenbar noch nicht möglich gewesen, daß von
deutscher Seite der französischen Regierung gegenüber eine vergleichsweise unmißverständliche
Sprache gewählt wurde. Dies verdeutlichen die von den Tübinger Ministerien zur
Vorbereitung von Bocks Reise ausgearbeiteten Stellungnahmen zu dringenden Problemen. Alle
diese Schriftstücke bemühen sich um einen verhältnismäßig moderaten Ton, sie scheinen die
Probleme nur vorsichtig behandeln zu wollen404. Aber es waren wohl nicht die Zeitumstände
allein, sondern auch die den Franzosen gegenüber recht verbindliche Haltung von Staatspräsident
Bock, die hier ihren Niederschlag fand. Ein ganz anderer Stil pflegte zu dieser Zeit bereits
der badische Staatspräsident Wohleb, obwohl man gerade ihm ein beachtliches Entgegenkommen
den Franzosen gegenüber nachsagte. Im Mai 1948 übermittelte Wohleb seinem südwürt-
tembergischen Amtskollegen Bock eine Denkschrift, in der die badische Regierung kürzlich
ihre Haltung gegenüber der französischen Besatzungsmacht dargelegt hatte405. Wohleb hatte
diese Denkschrift nur kurz zuvor in Paris Pierre Schneiter, dem französischen Staatssekretär für
die deutschen und österreichischen Angelegenheiten übergeben. Das Schriftstück ließ an
Deutlichkeit kaum zu wünschen übrig. Auch bezüglich der französischen Truppen und
Militärregierungen in Deutschland hielt Wohleb sich nicht zurück, wenn er schrieb: Während
ein großer Teil der Bevölkerung tatsächlich hungerte, mußte die Bevölkerung gleichzeitig sehen,
daß die Organe und Angehörigen der Besatzung verhältnismäßig reichlich und gut ernährt
wurden und zwar zum größten Teil aus den Erträgnissen des Landes. Auch machte Wohleb
deutlich, daß die Belegung des Landes Baden mit Organen der Besatzungsmacht, mit
Militärpersonen und mit den Familienangehörigen eine übermäßig starke war, wenn man den
Umfang und die Bevölkerungsziffer des Landes Baden und seine Besatzung mit denjenigen
anderer deutscher Länder vergleicht. Die badische Regierung verwies in diesem Zusammenhang
auf die Länder der amerikanischen Zone, wo die Besatzungskräfte nur einen vergleichsweise
geringen Teil der Gesamtbevölkerung ausmachten. Wir treten in das vierte Jahr der Besatzung
ein. Es ist psychologisch aber bedenklich, diese äußerst strengen und scharfen Maßnahmen
weiterzuführen, da die Bauern und auch die Bevölkerung es mit Bitterkeit empfinden, daß diese
zum Teil drakonisch durchgeführten Maßnahmen doch zum größten Teil der Besatzungsmacht
zugutekommen, während ein großer Teil der Bevölkerung nach wie vor hungern muß. Wohleb
führte dann im einzelnen aus, worin die Beschwerden der badischen Regierung bestanden. Er
vermied kaum einen heiklen Punkt: So kam er u. a. auch auf die badische Polizei zu sprechen,
bei der offenbar der Einfluß der französischen Besatzungsmacht sich personalpolitisch
besonders ausgewirkt hatte. Es ist unbedingt erforderlich, daß die badische Polizei neu
organisiert, zahlenmäßig verstärkt und gut bewaffnet wird. Die badische Polizei muß aus
diesem Anlaß von politisch zweifelhaften Elementen gesäubert werden, und es muß der
Badischen Landesregierung zuerkannt werden, auch geeignete Offiziere einzustellen, um die
Disziplin und Schlagkraft der Polizei zu gewährleisten.

Eine solche Sprache war aus Tübingen nicht zu erwarten, was sich allerdings mit dem
Regierungsantritt von Gebhard Müller rasch ändern sollte. Lorenz Bock war es noch gestattet,
die Reise des Staatspräsidenten organisatorisch im Benehmen mit dem Tübinger Gouverneur

404 Vgl. etwa die Stellungsnahmen des Arbeitsministeriums und des Finanzministeriums, in: StA Sig Wü
2/44/1 ff.

405 Der Staatspräsident des Landes Baden an Lorenz Bock vom 13. 5. 1946, anbei Wünsche der Badischen
Landesregierung in Bezug auf die deutsche Politik und die Verwaltung des Landes Baden vom 20.41948, in:
StA Sig Wü 2/44/7.

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