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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1983/0140
Gerd Friedrich Nüske

der Militärregierung auf minderwichtigen Gebieten und unproduktiver Art von der Erfüllung
ihrer eigentlichen Aufgaben abgehalten werden darf. Wie auch andere Ressorts, verwies das
Landwirtschaftsministerium für die vorgesehene Besprechung mit Außenminister Schuman
ebenfalls auf den zur Diskussion stehenden Anschluß der Länder der französischen Zone an die
Bizone. Es bemerkte, daß die Eigenerzeugung auf einigen wichtigen agrarwirtschaftlichen
Gebieten in der französischen Zone besser sei als in der Bizone, was sich etwa in der besseren
Versorgung der Kleinkinder auswirke. Daher sei bei einem Anschluß an die Bizone die
Sicherung der Belange der französischen Zone zu beachten! Auch seien die Bewirtschaftungsvorschriften
in der französischen Zone in ihrer Auswirkung auf das Aufkommen teilweise
besser als in der Bizone. Bei der weit besseren Ablieferungsdisziplin der Landwirte von
Württemberg-Hohenzollern können nicht die schematischen Anordnungen der bizonalen
Verwaltung Anwendung finden, die mehr oder weniger auf schlechte Ablieferung abgestellt
sind!

Schließlich verlangte das Landwirtschaftsministerium, daß die Übertragung der Lebensmitteleinfuhr
allein deutschen Firmen übertragen werde. Durch die Zentralstelle für Außenwirtschaft
der französischen Zone in Baden-Baden411 seien wiederholt Lebensmittel eingeführt
worden, die hätten beanstandet werden müssen, während günstige Angebote deutscher
Importeure unberücksichtigt geblieben seien. Auf alle Fälle müßte deutschen Dienststellen und
Firmen bei der Einfuhr gegenüber bisher ein wesentlich größerer Einfluß zugestanden werden.
Hatten die im Zusammenhang mit dem eventuellen Anschluß an die Bizone gemachten
Bemerkungen über die noch vergleichsweise günstigere Erzeugungslage in der französischen
Zone den Eindruck auch einer besseren Ernährungslage machen können, so wies das Tübinger
Landwirtschaftsministerium diesen Gedanken im einzelnen zurück. Trotz bereits eingetretener
Erhöhungen der Lebensmittelrationen sei der Ernährungszustand der deutschen Bevölkerung
auf einem besorgniserregenden Tiefpunkt angelangt, vor allem infolge der nun seit dreieinhalb
Jahren währenden Unterernährung. Die gegenwärtigen Rationssätze betrügen weniger als noch
unmittelbar vor Kriegsende!

So oder ähnlich äußerten sich alle südwürttembergischen Ministerien. Von besonderem
Interesse sind aber noch die in diesem Zusammenhang entstandenen Papiere des Staatskommissariats
für die politische Säuberung im Land Württemberg-Hohenzollern sowie die Äußerungen
des Finanzressorts. Staatskommissar Mayer schrieb an den Staatspräsidenten: Ich bitte
ergebenst, seiner Excellenz, dem Herrn Außenminister Schuman folgendes vorzutragen. Es
folgte eine Liste von Vorschlägen, die die Aufhebung noch bestehender Rechte der französischen
Militärregierung bei Entnazifizierungsverfahren zum Ziel hatten412. So sollte zur
Beschleunigung der Entnazifizierung die Militärregierung auf ihr Prüfungsrecht hinsichtlich
der Entscheidungen verzichten, die gegen Unbelastete oder vom Verfahren nicht betroffene
Personen ergehen. Ferner verlangte der Staatskommissar für die politische Säuberung das ihm
zustehende Recht, Revisions- und Einspruchsverfahren uneingeschränkt durchführen zu
können. Gegenwärtig könne er dies tatsächlich nicht wahrnehmen, weil die Militärregierung
sich die Zustimmung oder Genehmigung zur Durchführung solcher Revisions- oder Einspruchsverfahren
vorbehalten habe. Schließlich sollte dem Staatspräsidenten von Württemberg
-Hohenzollern das Recht übertragen werden, im Gnadenweg auf Vorschlag des Säuberungskommissars
Sühnemaßnahmen zu mildern oder aufzuheben.

411 OFICOMEX = Office du Commerce Exterieur de la Zone Franchise d'Occupation en Allemagne in
Baden-Baden.

412 Zur Entnazifizierung in Württemberg-Hohenzollern vgl. Klaus Dietmar Henke: Politische
Säuberung unter französischer Besatzung. Die Entnazifizierung in Württemberg-Hohenzollern (Schriftenreihe
der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 42) Stuttgart 1981.

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