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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1983/0141
Württemberg-Hohenzollern als Land der französischen Besatzungszone

Erwartungsgemäß war es das Gebiet der Finanzen, das Staatspräsident Müller, der ja auch
zeitweise in Personalunion südwürttembergischer Finanzminister gewesen war, die meiste Zeit
bei der Vorbereitung seines Parisbesuches kostete. Müllers Ziel war eine drastische Senkung der
Besatzungskosten in ihrem Gesamtumfang und in ihren einzelnen Ausdrucksformen. Eine
solche Reduzierung der Lasten war für Müller die unabdingbare Voraussetzung für das von den
Besatzungsmächten mit ihrer neuen Deutschlandpolitik verfolgte Ziel, die Lage Deutschlands
und damit Westeuropas im Rahmen des Marshallplans gemäß den Londoner Beschlüssen zu
verfassen. Dabei war freilich zweifelhaft, ob gerade die französische Besatzungsmacht dieses
Ziel aus Uberzeugung anstrebte, oder ob nicht Frankreich mehr oder weniger auf diesen Weg
gezwungen worden war. Das südwürttembergische Finanzministerium ließ auch keinen
Zweifel daran, daß die außerordentlichen Belastungen des Landes zumindest z. T. auf einer
fragwürdigen Rechtsgrundlage ruhten. Es hatte dazu spezielle Listen angefertigt und schrieb:
Die Erhebung legt auch im einzelnen dar, inwieweit diese Belastungen mit dem Völkerrecht in
Einklang stehen, inwieweit sie unter Mißbrauch der Gestaltungsmöglichkeiten des Völkerrechts
vorgenommen worden sind und inwieweit ein Verstoß gegenüber dem Völkerrecht vorliegt.
Zahlreiche, von der Regierung des Landes gegen diese Maßnahmen vorgebrachten Einwände
sind - zum Teil seit Jahren - unbeantwortet geblieben!

Hier sollen nun nicht die vielfältigen, mit den Besatzungskosten verbundenen Probleme
aufgegriffen werden413. Herausgegriffen sei nur die für den Staatspräsidenten im erwähnten
Zusammenhang erstellte Untersuchung der Requisitionsabteilung des Finanzministeriums, die
vor allem auf die vom Land Württemberg-Hohenzollern zu bestreitenden Ausgaben für die
infolge des Weltkriegs aus ihrer jeweiligen Heimat verschleppten Personen (PDR) einging414.

Dabei monierte die deutsche Seite u. a. die nicht gerechtfertigte Zuerkennung des PDR-
Status. Hierher gehört z. B. der Fall des russischen Arztes Dr. NN in Wangen, der bereits 1917 im
Zusammenhang mit der russischen Februar-Revolution als Flüchtling nach Deutschland
gekommen ist und seit dieser Zeit sich hier aufhält. Neben solch eher kuriosen Fällen führte die
Requisitionsabteilung freilich auch andere Fälle oder Gruppen auf, die sich etwa erst nach
Einstellung der Feindseligkeiten nach Deutschland begeben hatten. So etwa: Polen der Armee
des General Anders, die zuvor in Italien und Palästina waren; Juden, die in Palästina nicht
einwandern konnten und sich daher jetzt in Deutschland aufhalten; Tschechen, die aus ihrer
Heimat geflüchtet sind; Flüchtlinge vom Baltikum u. a. m. Die Zulassung neuer PDR wie der
genannten werde vor allem aus den Kreisen Sigmaringen, Freudenstadt, Hechingen, Münsingen
und Ravensburg gemeldet. Die Requisitionsabteilung führte aus, daß das PDR-Problem für
Württemberg-Hohenzollern besondere Bedeutung habe, da die dadurch entstehende finanzielle
Belastung pro Kopf der Bevölkerung das Dreifache des von der französischen Besatzungsmacht
für die gesamte französische Zone genannten Satzes betrage! Zudem werde den
deutschen Stellen jeder Einblick in die Zahl der PDR und die Art ihrer Verteilung im Land
verwehrt. Die Requisitionsabteilung räumte zwar die Gewährung des politischen Asylrechts in
dem unbedingt notwendigen Umfange auch an die genannten Personen ein, wollte jedoch die
besonderen Vergünstigungen abgeschafft sehen, die in der französischen Zone der PDR-Status
mit sich bringt. Sie schrieb: Der Bevölkerung ist auch nicht unbekannt, daß in der benachbarten

413 In diesem Thema vgl. Gustav von Schmoller: Das Land Württemberg-Hohenzollern unter der
Last der französischen Besatzung. In: Württemberg-Hohenzollern 1945-1952 (wie Anm. 430),
S. 217-232.

414 Die sog. PDR = Personnes deplacees wurden in den angloamerikanischen Zonen DP = Displaced
Persons genannt. Uber die DP's in der französischen Zone vgl. Sept ans d'activite en faveur des personnes
deplaceees en Zone Franchise d'Occupation 1945-1952 (Service des personnes deplacees du Haut
Commissariat de la Republique Francaise en Allemagne) Baden-Baden 1952. Grundlegend im übrigen: Eine
Studie über die ausländischen Flüchtlinge in Deutschland (Institut für Besatzungsfragen) Tübingen 1950.

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