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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1983/0144
Gerd Friedrich Nüske

des Vermögens gerichtet werden möge. Offenbar daraufhin nahm Staatspräsident Müller den
Punkt »Saarländer« auf seine Tagesordnung der in Paris zu besprechenden Punkte auf.

Staatspräsident Gebhard Müller hatte einen beachtlichen Teil der in den zurückliegenden
Wochen und Monaten von der Tübinger Verwaltung zusammengetragenen Probleme und
strittigen Themen auf seine Liste der zur Besprechung in Paris vorgesehenen Punkte setzen
lassen. Diese umfaßte sogenannte Politische Fragen, zum anderen sogenannte Technische
Fragen. Zu dem erstgenannten Themenkomplex gehörten: Bonner Grundgesetz, Ubergangsregelung
bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes, Wahlgesetz, Gestaltung der Besatzungskontrolle
im Weststaat, Vereinigung der vier Zonen, Südweststaat und schließlich die Rückkehr
ausgewiesener Saarländer und deren eventuelle Verwendung im öffentlichen Dienst. Zum
zweitgenannten Themenbereich zählte: Finanzlage des Landes und Besatzungskosten, E- und
F-Hiebe, Außenhandelsfragen, JRO-Abkommen vom 6. 9. 1947 und seine Auswirkungen, die
Verwaltung ehemaligen Wehrmachtsvermögens, die >Requisitions remboursables< sowie endlich
die Restitution von den in der CSSR gekauften Maschinen. Für den Staatsbesuch der
Delegation aus Württemberg-Hohenzollern war in Paris alles aufgeboten worden, was im
dortigen Außenministerium und in dessen Generalkommissariat Rang und Namen und vor
allem Bedeutung im Bereich Europäische Politik* hatte. Neben Außenminister Robert
Schuman waren anwesend: der Sondergesandte Botschafter Andre Francois-Poncet und
zahlreiche Abteilungsleiter des Quai d'Orsay, der Generalkommissar für die deutsche Angelegenheit
, Alain Poher mit mehreren Fachbeamten, von der Militärregierung in Tübingen
schließlich General Widmer und seine rechte Hand, Oberst Gonzague Corbin de Mangoux.
Besonders unter den Mitarbeitern der Pariser Institutionen fanden sich Namen, die in der
französischen Außenpolitik noch während Jahrzehnten immer wieder an bedeutsamer Stelle
auftreten sollten, wie etwa Maurice Couve de Murville und Jacques Sauvagnarques. Darüberhinaus
hatte Staatspräsident Müller sich über Oberst de Mangoux bemüht, auch Gespräche mit
dem Erzbischof von Paris, Kardinal Suhard, und mehreren Abgeordneten zu arrangieren.
Desgleichen traf sich Staatsrat Carlo Schmid mit dem früheren sozialistischen französischen
Regierungschef Leon Blum und dem sozialistischen Abgeordneten Andre Philippe. Endlich
traf sich der südwürttembergische Innenminister Viktor Renner ebenfalls mit Leon Blum sowie
mit dem Deutschlandexperten und zeitweiligen Berater der Militärregierung in Baden-Baden,
dem Direktor aller französischen Verwaltungsschulen, Bordeau de Fontenay. Schließlich
sprach Innenminister Renner auch noch mit dem Generaldirektor der französischen Sürete
Nationale. Gemessen an den umfänglichen Vorbereitungen, die von der Tübinger Staatsregierung
zur Vorbereitung des Staatsbesuches getroffen worden waren, und gemessen an dem
großen Aufgebot, das von beiden Seiten für die Besprechungen aufgebracht worden war, stand
das Ergebnis der Unterredungen dazu in einem bemerkenswerten Mißverhältnis. Es war
offenbar nicht zu nennenswerten Ergebnissen gekommen. Entsprechend nichtssagend fiel dann
auch die in Tübingen herausgegebene Presseerklärung aus, die sich beinahe nur auf die
Aufzählung einiger der stattgefundenen Unterredungen beschränkte. Auch vor dem Landtag
gab Staatspräsident Müller keine Erklärung über seinen Besuch in Paris ab.

Wenn überhaupt, dann lag der Erfolg des Staatsbesuchs in der Dokumentation eines
gewandelten Verhältnisses zwischen Besatzungsmacht und Besetzten. Anders als noch bei der
abenteuerlichen Verbringung von Gebhard Müller- immerhin eines demokratisch legitimierten
Staatspräsidenten - nach Paris gleichsam in einer Nacht- und Nebelaktion noch wenige Wochen
zuvor, war man jetzt französischerseits um korrekte Einhaltung aller protokollarisch notwendigen
Formalitäten bemüht, ja man bemühte sich darüberhinaus um eine gewisse patriarchale
Herzlichkeit. Als die Flugzeuge der südwürttembergischen Delegation auf dem Rückflug
wegen außerordentlich schlechter Wetterlage nicht in Stuttgart-Echterdingen landen konnten,
wurden sie nach Baden-Baden umdirigiert. Von hier aus ließ General Kcenig die Delegation mit
Wagen abholen und nach Tübingen bringen. Gebhard Müller erwarb bald nach der Rückkehr
nach Tübingen ein Exemplar des bekannten Staatslexikons der Görres-Gesellschaft aus dem

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