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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1983/0170
Gerd Friedrich Nüske

nach diesem französischen Vorschlag vom 17. März 1948 die Justiz ganz Länderangelegenheit
bleiben sollte, war sie bei der vorgesehenen deutschen Länderkonferenz auch gar nicht
vertreten488.

Ein Gebiet, dem die französische Besatzungsmacht besondere und gleichbleibende Aufmerksamkeit
schenkte, war das Ressort Ernährung und Landwirtschaft. Hier hatten die
Franzosen mehr bewegt, mehr aufgegriffen und vor allem öfter eingegriffen als in vielen anderen
Bereichen, vermutlich mehr als selbst auf dem Gebiet der industriellen Produktion. Dafür
spricht der umfangreiche Schriftverkehr zwischen den Verantwortlichen der Tübinger Staatsregierung
einerseits und der französischen Militärregierung andererseits. Der gesamte Schriftwechsel
betraf aber nicht nur Grundsätzliches aus den Gebieten Landwirtschaft und Ernährung
, sondern auch recht häufig Merkwürdiges, wenn es auch den verantwortlichen Deutschen
kaum so merkwürdig vorgekommen sein wird. Dafür soll hier ein Beispiel herausgegriffen
werden, das sicher nichts grundsätzliches wiederspiegelt, aber vielleicht doch gerade wegen
seiner Skurilität etwas aussagt. Denn den Deutschen der französischen Zone wurde nur zu
deutlich, daß ihre Besatzungsmacht - anders als die amerikanische - nicht ein Füllhorn
materieller Güter in seiner Besatzungszone ausschütten wollte und konnte, sondern vielmehr
aus dem Besatzungsgebiet erheblichen wirtschaftlichen Gewinn zu ziehen beabsichtigte.
Allenfalls wollte die Besatzungsmacht den Deutschen noch etwas verkaufen489.

Den französischen Militärregierungen oblag es nämlich auch, den Absatz wirtschaftlicher
Produkte aus Frankreich und den überseeischen Gebieten in der Besatzungszone nach Kräften
zu fördern. Dem war freilich aus verschiedenen Gründen kaum Erfolg beschieden, nicht zuletzt
aufgrund der anderen Ernährungsgewohnheiten der deutschen Bevölkerung. So mußte der
Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollern im Juni 1946 der französischen Militärregierung
in Tübingen darlegen, warum der Verkauf marokkanischer Salzsardellen in seinem Land
unmöglich sei490. Zum einen sei - nach Gutachten anerkannter Sachverständiger - der größte
Teil dieser Ware als verdorben im Sinne des deutschen Lebensmittelgesetzes zu betrachten, zum
anderen müßten die noch verwertbaren Reste Faß für Faß herausgesucht werden und könnten
dann auch nur im freien Verkauf außerhalb der Rationierung der Bevölkerung angeboten
werden. Der Staatspräsident meint aber voraussagen zu können, daß, da die Verbraucher die in
Frage stehenden marokkanischen Salzsardellen überhaupt nicht abnehmen würden, sich auch
keine Firma finden werde, die das Aussuchen und Verkaufen der genießbaren Sardellen
übernehmen wolle. Bock wußte zu berichten, daß im Land Baden eine angeblich noch bessere
Partie Sardellen unter den gleichen Voraussetzungen bis heute unverkäuflich geblieben sei!
Bock unterstrich in seinem Schreiben nachdrücklich, daß die französische Seite die Sardellen
trotz ablehnender Äußerungen des Tübinger Landwirtschaftsministeriums nach Württemberg
geschafft hätte. Bock hielt deshalb abschließend dafür, daß zukünftig bei der Einfuhr solcher
Waren wie der marokkanischen Sardellen die deutschen Stellen stärker und früher beteiligt
werden sollten als gegenwärtig.

488 Vogel (wie Anm. 469) S. 470 und Ders. (wie Anm. 425) 1 S. 81 f.

489 Grundlegend für den Bereich Ernährungs- und Landwirtschaft in der gesamten französischen Zone
und insbesondere für Rheinland-Pfalz ist die Arbeit vonKARL-HEiNZ Rothenberger, Die Hungerjahre
nach dem zweiten Weltkrieg. Ernährungs- und Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz 1945-1950 (Veröffentlichungen
der Kommission des Landtages für die Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz 3) Wiesbaden 1980;
ferner Ders., Ernährungs- und Landwirtschaft in Rheinland-Pfalz nach dem 2. Weltkrieg, in: Jahrbuch für
westdeutsche Landesgeschichte 7 (1981) S. 395 f. Für Württemberg-Hohenzollern vgl. Willi Schefold,
Landwirtschaft und Ernährung. In: Württemberg-Hohenzollern 1945-1952 (wie Anm. 430) S. 323f.

490 Der Staatspräsident des Landes Württemberg-Hohenzollern an Directeur Le Portz, Direction de
l'Economie et des finances, Delegation superieure pour le Gouvernement Militaire, Tübingen, vom
11. 6. 1946, in: StA Sig Wü 2 Bü. 1486/19/1.

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