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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1983/0177
Württemberg-Hohenzollern als Land der französischen Besatzungszone

Seite einzig die Person de Lattres für bestimmte Erscheinungen vor allem in der Anfangsphase
der französischen Besatzung verantwortlich macht. De Gaulle hatte den Sultan von Marokko
zur I. Armee nach Deutschland geschickt, desgleichen den Bey von Tunis510. Auch die
Vorstellungen de Lattres, wie das besiegte Deutschland zu behandeln sei, wird dieser sicher
nicht allein entwickelt haben, gleichwohl das Verhältnis zwischen de Gaulle und de Lattre nicht
spannungsfrei war. De Lattre vertrat offenbar die Ansicht, reeducation der Deutschen mehr
durch Ansprache der Gefühle zu betreiben als durch intellektuelle Kleinarbeit und langwierige
Umerziehung. Diese Überlegung, die freilich auch einer persönlichen Neigung entsprach,
weswegen ihn die Amerikaner gelegentlich kurz du theätre nannten, fand ihren Ausdruck in
zahlreichen spektakulären Auftritten. Als General Devers, der US-Oberbefehlshaber der
Alliierten Armeegruppe, der auch die französische I. Armee unterstand, in Lindau seinen
offiziellen Abschiedsbesuch machte, ließ de Lattre den Weg zu seiner Residenz von 2000
algerischen Kavalleristen in wallenden Burnussen mit Fackeln in den Händen säumen. Zu
anderen Gelegenheiten wurden Ensembles der Pariser Nationaloper und die Künstler der Villa
Medici, der französischen Kunstakademie in Rom, nach Lindau geschafft. Dieses Spektakel zu
Ehren Devers gab Gesprächsstoff sowohl in Paris als auch in Washington. De Lattre unternahm
auch große Anstrengungen zur raschen Rückführung von zur Arbeit nach Deutschland
geholten Franzosen, sowie vor allem von französischen KZ-Häftlingen511.

Aber natürlich war de Lattres Politik und die seiner Getreuen im Bezug auf die Deutschen
der französischen Zone eigentlich gar keine, sie war vielmehr nur ein Reflex auf interne,
französische Probleme. De Lattre erhoffte sich von seinem Regime in Deutschland eine
regenerierende Wirkung auch auf weite Teile der französischen Bevölkerung, die angesichts der
wiedergewonnenen und in der Zone in Deutschland augenfällig demonstrierten französischen
Größe die Niederlage von 1940 und die folgende deutsche Okkupation würden vergessen
können. Gerade dies hatte offenbar zur Folge, daß man in Paris de Lattre gelegentlich für einen
neuen Wallenstein hielt, dem mit seiner neugeschaffenen Armada vielleicht sogar ein Staatsstreich
, ein neuer »18. Brumaire«, zuzutrauen wäre.

War de Lattres Regime eine Herrschaft der Militärs gewesen, so war das folgende Regiment
des Elsässer Generals Pierre-Marie Koenig das eines uniformierten Zivilisten. Zwar war Koenig
selbst ebenfalls Berufssoldat wie de Lattre gewesen, hatte möglicherweise aber dem Vichy-
Regime näher gestanden als de Lattre. Andererseits war er einer der ersten Gefolgsmänner de
Gaulies gewesen, weswegen ihm dann auch der Chefposten in Deutschland zufiel. Seine
perfekten Deutschkenntnisse hatte er wohl schon in seiner Jugend erworben und sie gewiß in
der Teilnahme bei der französischen Rheinlandbesetzung nach 1919 ausbauen können512.
General Koenigs Regime hatte seine formale Grundlage in der Verordnung Nr. 1 vom 28. Juli
1945, wonach das »Commandement en Chef francais en Allemagne« alle Gewalt in der
französischen Besatzungszone in Deutschland übernahm513. Institutionell waren damit zugleich
verbunden das Oberkommando über die französischen Besatzungstruppen in Deutschland
, die französische Gruppe beim Alliierten Kontrollrat in Berlin, die Verwaltung des
französischen Sektors in Berlin und als wichtigstes Teil die französische Militärregierung für

510 De Gaulle (wie Anm. 383) S. 224: // se rend ensuite en Allemagne aupres de la I" armee et passe
l'inspection des glorieuses troupes marocaines.

511 Willis (wie Anm. 509) S. 74-77.

512 Nach Willis (wie Anm. 509) S. 77 war Koenig »a career officer from Normandy«, nach Thies-von
Daak (wie Anm. 509) S. 38 war Koenig Elsässer. Letzteres ist richtig. Verläßliche Daten bei Ruge-Schatz
(wie Anm. 509) S. 158-159 Anm. 176.

513 Ordonnance Nr. 1, in: Journal Officiel du Commandement en chef f ran^aise en Allemagne Nr. 1 vom
3. 9. 1945 S. 1.

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