Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1983/0216
Neues Schrifttum

und Entwicklung, sind nur mit Hilfe von Analysen der langfristigen Entwicklung zu erstellen. Für Megerle
ist daneben aber auch die regionale Differenzierung des Industrialisierungsprozesses notwendig, um die
»Funktion und den Stellenwert der Teilräume für die Gesamtentwicklung« (S. 21) zu erkennen.

Ob allerdings die Erkenntnisse aus den einzelnen regionalen Industrialisierungsprozessen im Deutschland
des 19. Jahrhunderts eine Hilfe für die Lösung der Probleme innerhalb der Europäischen Gemeinschaft
darstellen können, wie Megerle andeutet, bleibt zweifelhaft. Die politischen Rahmenbedingungen unterscheiden
sich erheblich. Der Nationalismus z. B., der im 19. Jahrhundert dazu beitrug, die partikularen
Eigeninteressen in Deutschland zu überwinden, behindert heute eine stärkere Integration in der Europäischen
Gemeinschaft.

Drittens betont Megerle zurecht das in jüngster Zeit stark gewachsene Interesse an Regionalproblemen,
sowohl wissenschaftlich als auch politisch. Allerdings macht der Auto im Vorwort deutlich, daß die
Planung und Durchführung der Arbeit zeitlich vor dieser »Regionalgeschichtswelle« erfolgte.

»Regionale Differenzierung als Ausdruck gegenwärtig drängender Fragestellungen und als Methode zur
Erweiterung und Präzisierung der Industrialisierungsforschung wird in der vorliegenden Arbeit am Beispiel
Württembergs demonstriert« (S. 24). Megerle beginnt deshalb seine Darstellung mit einer Beschreibung der
Industriestruktur der Bundesrepublik Deutschland, in der die herausragende wirtschaftliche Bedeutung des
Südweststaates zum Ausdruck kommt.

Daran schließt sich ein interessanter Exkurs über die Behandlung der Industrialisierung in einzelnen
Regionen im Schulunterricht an. Gerade hier wird das Vorherrschen einer nationalstaatlichen Betrachtungsweise
besonders deutlich. Schulbücher und Lehrpläne, aber auch die angebotenen Unterrichtsmaterialien
bieten bisher zuwenig Anreiz, sich mit regionalen und lokalen Gegebenheiten zu beschäftigen. Dies
gilt allerdings noch für viele Bereiche der Regional- und Lokalgeschichtsbehandlung in der Schule, wobei
jedoch die positiven Entwicklungen gerade in den letzten Jahren nicht übersehen werden sollten.

Nach diesen Vorüberlegungen behandelt Megerle im III. Kapitel die »Stationen der industriellen
Entwicklung Württembergs« im Zeitraum von etwa 1830 bis 1939. Das Schwergewicht der Darstellung liegt
auf dem 19. Jahrhundert. Die Behandlung der Zwischenkriegszeit kommt dabei zwangsläufig etwas zu
kurz. Megerle stützt sich in diesem Abschnitt weitgehend auf die Literatur, ohne selbst die statistischen
Unterlagen zu bearbeiten, wie im 19. Jahrhundert. So lag der Beschäftigungsgrad in Württemberg sehr viel
deutlicher über dem Reichsdurchschnitt, als dies die Zahlen in Tabelle 50 (S. 185) für den Landesarbeitsamtsbezirk
Südwestdeutschland, der neben Württemberg auch Baden und Hohenzollern umfaßte,
andeuten. Dafür gab es in Württemberg 1932 mehr als dreimal soviel Kurzarbeiter wie im Reich.

Im IV. Kapitel stellt Megerle das »Modell« der Industrialisierung Württembergs und sechs Thesen mit
den Besonderheiten des industriellen Aufschwungs im Land vor, ohne jedoch diese Thesen - mit einer
Ausnahme - noch näher auszuführen. Zu diesen >württembergischen Besonderheiten zählen die natürlichen
Voraussetzungen, die Verkehrsverhältnisse, die Markterweiterung, das Arbeitskräftepotential, das in
einer abschließenden exemplarischen Studie über ein Jahrhundert untersucht wird, die Kapitalanlage und
die Gewerbeförderung. Am Ende des IV. Kapitels wird nach Württemberg als >Vorbild< gefragt; eine
Bedeutung, die Württemberg vor allem aufgrund seiner positiven Entwicklung in der Zwischenkriegszeit
und besonders in der Weltwirtschaftskrise erlangte.

Insgesamt (auch mit einigen ärgerlichen Druckfehlern z. B. auf S. 198) stellt das Buch einen anregenden
und gelungenen Versuch dar, ausgehend von der heutigen Situation, nach den Bestimmungsfaktoren der
wirtschaftlichen Entwicklung in den letzten 150 Jahren innerhalb einer Region zu fragen. Daß hierbei einige
Aspekte zu wenig beachtet wurden und der politische Kontext, in dem diese Entwicklung stattfand, zu kurz
kam, sollte zu weiteren Forschungen in dieser Richtung anregen.

Gundelfingen Thomas Schnabel

Beräahl, Liidtke, Medick, Poni, Reddy, Rosaldo, Sabean, Schindler, Sider: Klassen und Kultur. Sozialanthropologische
Perspektiven in der Geschichtsschreibung. Frankfurt a. M.: Syndikat 1982. 370 S.

Einen Band, der - so der Klappentext - handelt »von Kabeljaufischern in Neufundland, Webern in
Frankreich, Seidenhasplern in Italien, von Gin- und Biertrinkern in England, den vornehmen und weniger
vornehmen Formen von Klassenherrschaft in Preußen, Kopfjägern auf den Philippinen, dem esoterischen
Geheimkult der Freimaurerei im 18. Jahrhundert, der Kultur der Unehelichkeit in der frühneuzeitlichen
Bauerngesellschaft und schließlich den alltäglichen Risiken von Industriearbeitern«, in einer landesge-

214


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1983/0216