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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1983/0222
Neues Schrifttum

Das Ende der Großen Koalition im Frühjahr wird auf S. 315 ausschließlich der SPD angelastet. Dagegen
schreibt Schulze wenige Seiten davor, daß der DVP-Vorsitzende Scholz schon im Dezember 1929 die SPD
stark angriff und erklärte, die DVP »gedenke sich nicht länger zum Schrittmacher sozialistischer
>Wirtschaftsforderungen< machen zu lassen« (S. 313). Auch die Rolle einflußreicher Kreise um den
Reichstagspräsidenten beim Sturz der Großen Koalition wird falsch dargestellt. So skizzierte Schleicher
schon vor dem 10. März 1930, also fast drei Wochen vor dem Ende der Regierung, einen Entwurf, wie die
neue Regierung auszusehen habe; also lange bevor die SPD-Fraktion ihre Mitarbeit in Verkennung der
wahren Lage aufkündigte. Auf weitere Irrtümer und Widersprüche einzugehen, fehlt hier der Platz.

Insgesamt hat das Buch eine sehr problematische Tendenz. Es neigt dazu, die vielen Fehler und
Versäumnisse der demokratischen Parteien und der Anhänger der Republik sehr stark überzubewerten und
die Rolle, die die konservativen Gegner der Republik in Bürokratie, Reichswehr, Kirchen sowie in den
rechtsgerichteten Verbänden und Parteien und um den Reichspräsidenten Hindenburg beim Untergang der
ersten deutschen Demokratie gespielt haben, zu unterschätzen. Ein Beispiel von vielen ist die Darstellung
der Vorgänge in Sachsen und Thüringen auf der einen und in Bayern auf der anderen Seite während des
Jahres 1923 (S. 267/68). Man ist am Ende des Buches deshalb geneigt, dem Autor in Anlehnung an den
berühmten Ausspruch des Reichskanzlers Wirth nach dem Mord an Rathenau zuzurufen: Dieser Feind
steht rechts.

Gundelfingen Thomas Schnabel

Kurt Klotzbach: Der Weg zur Staatspartei. Programmatik, praktische Politik und Organisation der
deutschen Sozialdemokratie 1945 bis 1965. Berlin: Verlag J.H.W. Dietz Nachf. 1982. 656 S.

Nachdem mit dem Ausscheiden der Sozialdemokraten aus der Bundesregierung auch der zweite
Abschnitt der bundesrepublikanischen Geschichte abgeschlossen ist, scheint es besonders sinnvoll zu sein,
einen Blick auf den ersten Abschnitt zu werfen, der bis zum Beginn der Großen Koalition 1966 reicht.

Kurt Klotzbach hat sich auf über 600 Seiten mit dem Weg der Sozialdemokraten in die Regierungsbeteiligung
beschäftigt. Insofern bleibt 1965 als zeitlicher Abschluß des Bandes etwas unverständlich, denn der
>Weg zur Staatspartei< wurde erst 1966 erfolgreich abgeschlossen.

In der Untersuchung sieht der Autor einen Beitrag zur deutschen Zeitgeschichte. »Geleitet von
historischem Erkenntnisinteresse, geht es ihr vor allem um die Aufhellung von Kausal-, Entstehungs- und
Entwicklungszusammenhängen, von Kontinuitäten und Diskontinuitäten« (S. 17). Das verwendete Quellenmaterial
wirkt schon fast erdrückend. Das Quellen-und Literaturverzeichnis umfaßt mehr als 45 Seiten.
Hervorgehoben werden muß dabei die erstmalige Verwendung der maschinenschriftlichen Verlaufsprotokolle
der Parteivorstands- und Parteipräsidiumssitzungen der SPD, die hochinteressante Einblicke in den
innerparteilichen Willensbildungsprozeß liefern.

Gegliedert ist das Buch in vier Hauptkapitel. Nach einem Überblick über den Forschungsstand wird im
1. Kapitel die unmittelbare Nachkriegszeit von 1945-1947/48 behandelt, der Zeitraum also, in dem sowohl
die außen- als auch innenpolitische Ordnung Deutschlands noch relativ offen war.

Daran schließt sich die Untersuchung der Jahre 1947/48 bis 1953 an, in denen die SPD zunehmend in die
politische Isolierung geriet. Der große Wahlerfolg der CDU 1953 und die Schlappe der SPD brachten erste
Ansätze zur Überarbeitung der sozialdemokratischen Position, die aber erst nach der abermaligen
Wahlniederlage 1957 ins allgemeine Bewußtsein der Partei traten. Einen gewissen Abschluß dieser
Entwicklung bildete die Verabschiedung des Godesberger Programms 1959 und die große außenpolitische
Rede Herbert Wehners am 30. Juni 1960 vor dem Deutschen Bundestag, mit der sich die SPD für eine
gemeinsame Außenpolitik und die Anerkennung der abgeschlossenen Verträge und der damit einhergehenden
Westbindung aussprach: »nicht Selbstzerfleischung, sondern Miteinanderwirken im Rahmen des
demokratischen Ganzen, wenn auch in sachlicher innenpolitischer Gegnerschaft (...) Das geteilte
Deutschland (...) kann nicht unheilbar miteinander verfeindete christliche Demokraten und Sozialdemokraten
ertragen« (S. 501).

Im vierten und letzten Kapitel wird die Entwicklung der SPD in den frühen sechziger Jahren dargestellt,
als sie sich zunehmend nicht mehr als die große Alternative, sondern als die bessere Partei darstellte und
damit auch langsam, aber stetig in der Wählergunst stieg. Die Zerwürfnisse in der bürgerlichen Koalition
aus CDU/CSÜ und FDP taten ein übriges, um die Sozialdemokraten zunehmend als potentielle
Regierungspartei erscheinen zu lassen. Den Abschluß des Buches bilden eine kurze Zusammenfassung und
ein Ausblick, der allerdings durch die Ereignisse der letzten Monate etwas überholt ist.

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