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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0013
Lernen aus der Geschichte?

begleitet von Empfehlungsschreiben aus der Hand des Erasmus, eine dreimonatige Studienreise
nach England, wo er bei Thomas Morus aufgenommen wurde. Der Kanzler stellte ihn auch
Heinrich VIII. vor, der ihn mit seiner berühmten Ehescheidungssache betraute. Er sollte dem
König die Gutachten der Schweizer reformierten Theologen übermitteln, was Grynaeus nach
seiner Rückkehr auch tat. In England hat Grynaeus hauptsächlich nach Handschriften gesucht.
Die Bibliothek des neugegründeten Corpus-Christi-College in Oxford, des ersten englischen
Collegium trilingue, bildete wohl das Zentrum seines Forschens3. Er bekam die Erlaubnis,
mehrere mittelalterliche Handschriften nach Basel mitzunehmen, wo er die Texte edierte und so
der Allgemeinheit zugänglich machte. Die bedeutenden Editionen des Grynaeus aus den
folgenden Jahren beruhen zum großen Teil auf den Ergebnissen seiner Englandreise4. Das Jahr
1531 war verhängnisvoll für die reformierte Schweiz. Zwingli fiel am 11. Oktober bei Kappel
und wenige Wochen später erlag Oekolampad einer Krankheit. Grynaeus hat als Augenzeuge
den Tod Oekolampads klagend beschrieben. Wie sehr sich indessen Erasmus geistig und
emotionell von den Führern der Schweizer Reformation entfernt hatte, zeigt folgende
Äußerung: »Es ist gut«, so schreibt er, »daß diese beiden Führer umgekommen sind. Wäre
ihnen Mars günstig gewesen, so wäre es um uns geschehen«5. Im Jahr 1534 erhielt Grynaeus von
Herzog Ulrich von Württemberg den Auftrag, in Gemeinschaft mit Ambrosius Blarer von
Konstanz die Universität Tübingen im Geiste der Reformation zu reorganisieren. Ähnlich
ordnete übrigens des Simon Grynaeus Großneffe Johann Jakob Grynaeus 1584/86 die
Universität Heidelberg auf reformierter Grundlage. Seitdem Simon Grynaeus neben seiner
Professur der griechischen Sprache in Basel auch noch eine Professur der Theologie übernommen
hatte, sah er sich - zumal seit 1536 - immer stärker vor theologische Aufgaben gestellt. Im
Oktober 1540 wurde er, wie bereits erwähnt, zum Religionsgespräch nach Worms abgeordnet
und nach seiner Rückkehr zum Rektor der Universität gewählt. Noch während seiner Ämtszeit
starb Simon Grynaeus am 1. August 1541 an der Pest. Er hinterließ seine zweite Gattin
Katharina, geborene Lombard, und einen erst zweijährigen Sohn Samuel.

2. Grynaeus als Herausgeber und Übersetzer

Grynaeus hat sich vor allem als Textkritiker und Herausgeber griechischer und lateinischer
Autoren, als Übersetzer aus dem Griechischen ins Lateinische, sowie als humanistischer
Schriftsteller einen Namen gemacht. Der griechischen Sprache war er »mächtig wie wenige«6.
Er glaubte, wie viele seiner Zeitgenossen, fest an die erzieherische Kraft, die von den
griechischen und lateinischen Autoren ausgehe, und hat darüber wiederholt eindringlich in den
Vorworten seiner Textausgaben gesprochen. Damit in Zusammenhang steht auch seine
Hochschätzung der philologisch-textkritischen Methode, die dazu diene, die in den Werken
der antiken Autoren verborgene Weisheit in ihrer Integrität wiederzugewinnen und zur
Wirkung zu bringen. Als ein Geistesverwandter des Erasmus zeigt er sich, wenn er meint, der
Mensch sei in hohem Maße bildungsfähig und wenn er die Septem artes liberales, den
Bildungskanon der Antike und des Mittelalters, unmittelbar nach der Heiligen Schrift als ein

3 M. E. Welti, Der Gräzist Grynaeus und England. In: Archiv für Kulturgeschichte 45 (1963) S. 234.

4 Grynaeus edierte in seiner Basler Zeit folgende Autoren: Aristoteles, griech. (1531), Plutarch, Vitae,
griech. (1531) und lat. (1534), Proklos, griech. (1531), Piaton, lat. (1532), griech. (1534), Aristophanes,
griech. (1532), Euklid, griech. (1533), Claudius Ptolemaeus, griech. (1538), Hippiatrika, griech. (1538),
Geoponika, griech. (1539), Justinus, lat. (1539). Auch hat er 1532 ein griechisch-lateinisches Lexikon
herausgegeben.

5 J. Huizinga, Europäischer Humanismus. Erasmus. Hamburg 1958. S. 159. Vgl. Allen (wie Anm. 2)
Nr. 2576 (an Grynaeus).

6 Realencyklopädie für protestantische Theologie und Kirche, Bd. VII, Leipzig 1899, S. 219.

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