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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0020
Casimir Bumiller

Quelle für die sozialen Verhältnisse in den Dörfern der Grafschaft Zollern stieß ich dabei auf die
sogenannten Audienzprotokolle. In einem kleinen Aufsatz über die Audienzprotokolle des
Dorfes Jungingen von 1751-17753 habe ich diese Quellengattung erstmals vorgestellt und
versucht, ihre Verwertbarkeit zu erweisen. Jetzt möchte ich in einer weiteren Studie die ältesten
erhaltenen Audienzprotokolle des gleichen Dorfes von 1600-1625 vergleichsweise auswerten.
Leider scheinen in dieser Sammlung die Protokolle der Jahre 1613-1621 verloren gegangen zu
sein4. Die Arbeit soll zeigen, welche Bereiche der dörflichen Gesellschaft in den Audienzprotokollen
aus dem Blickwinkel herrschaftlichen Interesses ausgeleuchtet werden. Die Grenzen
dieses Interesses sind zugleich oft auch die Grenzen, die einer sozialgeschichtlichen Deutung
gesetzt sind.

Bei der Sichtung des Materials fiel mir auf, daß es sich nach zwei Richtungen hin anordnen
läßt: Einmal in einer Reihe wirtschaftlicher Daten und Fakten, zum andern auf einer Linie mit
Belegen zur Ausformung der sozialen Beziehungen. Auf dem einen Strahl dieses Koordinatenkreuzes
beantworten sich Fragen nach der Arbeitsorganisation und Berufsstruktur, der
Lebenshaltung und -erhaltung; auf dem anderen Fragen nach der Sozialstruktur, den Beziehungen
zwischen den Menschen, ihrem Umgang miteinander, ihrer Sexualität. Nun erscheint die
Trennung der beiden Stränge - ökonomisch/sozial - in vielen Fällen künstlich, da beide sehr eng
zusammenhängen, ja sich oft auch wechselseitig ausformen, etwa ökonomische Grundlage und
sozialer Rang von Familien. Die analytische Aufgliederung des Quellenmaterials in einzelne
Themenkomplexe entlang der beiden Koordinatenachsen soll uns jedoch die Struktur dieser
dörflichen Gesellschaft aufdecken helfen.

Den Schnittpunkt dieses gesellschaftlichen Koordinatenkreuzes< bildet die Ehe, deshalb
wird sie auch zweimal Ausgangspunkt der Untersuchung sein. Sie garantiert als kleinste soziale
Einheit in der ehelichen Pflicht den Fortbestand der Familie, der Bevölkerung, ja letztlich der
Menschheit, und als kleinste wirtschaftliche Einheit in der Bereitstellung von Nahrung
zunächst die Reproduktion der eigenen Arbeitskraft. Über die feudalen Abgaben liefert sie
jedoch auch die ökonomische Grundlage für Leben, Kultur und Politik der Großen. Diese
Selbstverständlichkeiten - die Kinderzeugung und die Lebensmittelproduktion - sind der
bescheidene Beitrag der kleinen Leute zur großen Geschichte, ein so selbstverständlicher
Beitrag, daß diese beiden grundlegenden Antriebe gesellschaftlichen Fortschreitens vom
Interesse der Fachhistoriker lange Zeit ausgespart und Sonderdisziplinen am Rand der
etablierten Wissenschaften überlassen blieben.

Diese kleine Arbeit kann den großen Mangel nicht beheben, sie kann lediglich die
wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen bäuerlicher Existenz in einem Dorf am Vorabend
des 30jährigen Krieges beschreiben.

DAS WIRTSCHAFTLICHE GEFÜGE
/. Ehen (sozioökonomischer Aspekt)

Da die Audienzprotokolle in der Regel alle Eheschlüsse verzeichnen, bieten sie Ersatz für
fehlende Kirchenbücher und Anhaltspunkte zur Berechnung der Bevölkerungsentwicklung.
Dieser demographische Rahmen soll kurz vorangestellt werden.

Zwischen 1600 und 1613 - nur diese vierzehn Jahre lassen sich statistisch sinnvoll auswerten
- fanden 61 Eheschlüsse von Junginger Bürgern und Bürgerinnen statt. In vier Fällen heirateten

3 Casimir Bumiller, Die Junginger Audienzprotokolle von 1751-1775. Strukturen, Szenen und
Personen aus dem dörflichen Alltag im 18. Jahrhundert. In: Zeitschrift für Hohenz. Geschichte 15 (1979)
S. 121-136.

4 StA Sigmaringen Ho 1-46 C II 8 Nr. 23 (Pak. 381).

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