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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0021
Die Junginger Audienzprotokolle von 1600-1625

Junginger Männer nach auswärts, dreimal waren es Frauen; das Dorf selbst erlebte also in dieser
Zeit noch 54 Hochzeiten. Acht auswärtige Männer wurden durch Einheirat Junginger Bürger
und 27 Frauen wurden auf diese Weise eingebürgert. Nur bei 19 Vermählungen (also in einem
Drittel der Fälle) werfen zwei Leute aus dem Dorf ihre sieben Sachen (mehr sind es meistens
nicht) zusammen.

Versuchen wir uns dem Bevölkerungszuwachs anzunähern, dann interessieren uns zunächst
die Abgänge, also Sterbefälle und Wegzüge. Verstorben sind in den vierzehn Jahren nachweislich
31 Personen (davon 20 Männer), verzogen oder durchgegangen (so Martin Volmer,
Bäcker, wegen Diebstahls) sind in diesem Zeitraum fünf. Zuzüglich der sieben auswärts
Heiratenden haben wir einen Abgang von 43 Personen zugrundezulegen. Dem stehen an
■ Zugängen 35 durch Einheirat und sechs sonst Eingebürgerte (meist Handwerker) gegenüber.
Das heißt, Zu- und Abgänge unter der erwachsenen Bevölkerung heben sich ungefähr auf, so
daß ein Bevölkerungszuwachs nur durch die Geburt von Kindern zu erwarten war. Gestehen
wir jeder im Dorf geschlossenen Ehe zwei lebende Kinder zu, so kann man (bei 54 Ehen) in den
vierzehn Jahren einen Zuwachs um mehr als 100 Personen annehmen. Leider haben wir für
diese Zeit keine genauen Einwohnerzahlen, auf die dieser Zuwachs zu beziehen wäre. Ziehen
wir aber die 70 Junginger Familien des Pfeffer'schen Lagerbuchs von 1598/99 heran, die etwa
350 Einwohner repräsentieren, dann können wir um 1615, also kurz vor Ausbruch des
30jährigen Krieges, in Jungingen rund 450 Einwohner erwarten, eine Schätzung, die später
noch gestützt werden soll5.

Das ist der grobe, aber wahrscheinliche demographische Rahmen, innerhalb dessen wir uns
bewegen, wenn wir uns nach und nach den verschiedenen Bereichen der dörflichen Gesellschaft
zuwenden. Zunächst möchte ich den wirtschaftlichen Grundlagen der Familien nachgehen,
denn die Audienzprotokolle lassen hier Aufschlüsse über soziale Verhältnisse erwarten. Beim
Einholen des Heiratskonsenses in der hohenzollerischen Kanzlei zu Hechingen werden die
Mittel, die die beiden Partner in die Ehe bringen, meist angegeben. Und zwar werden nicht die
einzelnen Güter aufgeführt, wie dies 150 Jahre später üblich war, sondern der Wert der
Aussteuer wird auf einen gerundeten Geldbetrag geschätzt. Ein typischer Eintrag lautet etwa:
Balthas Locher von Bisingen will sich zu Marina Bauren von Jungingen laut Inligend Zettels
ehelich verheuraten, hat er im Vermögen 400 fl., sie 300 fl., wollen sich heede an E. H. mit Leib
ergeben. Bitten derowegen Underthenig umb H. Consens (1602). Bei 43 Eheschlüssen waren
solche Summen zu erkennen. Sie bewegen sich in einer Streuung von 0 bis 2000 Gulden bei
einem Durchschnitt von ca. 410 fl. Erstaunlich ist, daß annähernd 40% der neu gegründeten
Ehen wirtschaftlich über diesem Durchschnitt liegen, der Rest dagegen beträchtlich darunter,
während durchschnittliche Vermögen fast ganz fehlen. Um eine Vorstellung von der Kaufkraft
dieser Beträge zu vermitteln, sollen einige Preise angeführt werden: ein Roß kostete 1602 und
1607 13 fl.; die Jauchert Acker wurde um 1607 zwischen 26 und 50 fl. gehandelt, ein Haus mit
Scheuer und Garten wurde 1608 um 190 fl. verkauft, ein anderes 1612 um 382 fl., noch ein
anderes 1612 um 1200 fl.

Wenn man aus den mitgeteilten Befunden auf eine Sozialstruktur Jungingens vor dem
30jährigen Krieg schließen wollte, könnte man sagen, es gibt fast nur Arme und Reiche, die
Mittelschicht fällt praktisch aus. Wir müssen allerdings in Rechnung stellen, daß unser Befund
dadurch verfälscht sein kann, daß wir die ersten Ehen junger Leute und die zweiten
Vermählungen von Witwen und Witwern verarbeitet haben. Bei genauerer Betrachtung

5 In diesen Überlegungen zum Bevölkerungszuwachs findet sich ein scheinbarer Widerspruch insofern,
als ich bei der Ausgangsgröße (350 Einwohner im Jahr 1599) eine Familiengröße von etwa fünf Personen
zugrundegelegt habe, den danach geschlossenen Ehen jedoch nur zwei Kinder zugestehe, was eine
Familiengröße von vier Personen ergäbe. Der Widerspruch löst sich aber auf, wenn wir berücksichtigen,
daß ein großer Teil der Paare erst um 1610/12 heiratet und bis zum Endpunkt unserer Rechnung noch keine
drei lebende Kinder gezeugt haben kann.

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