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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0022
Casimir Bumiller

erscheinen die reichsten Verbindungen als solche von Verwitweten, die erstens schon weiter im
Erwerbsleben stehen und zweitens über das Erbe ihres verstorbenen Gemahls verfügen und so
eine ganz andere Ausgangsbasis haben als junge Eheleute. Dennoch scheint unser erster
Eindruck von der Polarität der Junginger Sozialstruktur nicht ganz falsch zu sein, wie auch
später immer wieder durchschimmern wird6.

Um die sozioökonomische Bedeutung der Eheschlüsse deutlich zu machen, müssen wir
betrachten, wer wen heiratet. Dabei fällt an den addierten Wertbeträgen zunächst auf, daß sich
mit wenigen Ausnahmen Vermögen von einigermaßen gleicher Größenordnung vereinigen.
Die Ehepartner suchen also einander in der gleichen sozialen Gruppe bzw. dürfen sich nur dort
finden. Arme heiraten Arme, solche mittlerer Erbschaft vereinigen sich mit ihresgleichen, nur
bei den ganz Reichen gibt es große Vermögensgefälle gegenüber dem jeweiligen Ehepartner,
wobei aber deren Beiträge meist auch schon recht hoch sind.

Die reichste erkennbare Verbindung geht 1609 der aus Schlatt stammende Martin Conantz
mit Catharina Eckenweilerin, der Witwe des Bäckers Hans Ehemann, ein. Er bringt bereits
400 fl. mit in die Ehe, sie dagegen verwaltet ein Erbe von 1600 fl. Mit den fünf Kindern aus ihrer
ersten Ehe treffen die beiden die Übereinkunft, daß sie die Kinder erziehen sollen, bis sie zu iren
Tagen kommen, inen im voraus geben 140 fl., den Knaben Roß und Karren, den Madlein Rockh
und Mandtel, eine Kue und ausgeriste Bettstatt... Relativ reiche Verbindungen gehen auch ein:
David Mayer, der 1605 heiratet (700 fl.); der Wirt Bastian Seitz (1100 fl.) und der Sägemüller
Hans Bumiller (860 fl.), die beide 1610 heiraten; und Barth Schuler (1000 fl.) und Hans Hewis
(670 fl.), die 1611 heiraten. Interessant ist, daß fast alle der reicheren Familiengründer, wie sich
zeigen wird, Handwerker, Gewerbetreibende oder Händler waren.

Wo schon Kinder gleicher sozialer Herkunft einander heiraten, wundert es auch nicht,
wenn eine gewisse Annäherung unter den Gewerbetreibenden zu sehen ist, aber auch hier mit
deutlicher sozialer Abstufung. So hatte schon der ältere Hans Bumiller, Säger, eine Tochter mit
dem Bäcker Hans Ehemann verheiratet, eine andere mit dem Mühlsteinhändler Stumpp aus
Killer. Vom Händler David Mayer wird 1607 erwähnt, er sei mit dem Wirt Martin Gammertin-
ger verschwägert. Auch bei den weniger vermögenden Familien waren berufliche und damit
ökonomische Rücksichten bei der Partnerwahl im Spiel. So heiratet etwa Katharina Dietschin
1603 den aus Felldorf stammenden Hans Riester; sie brachten nur das bescheidene Vermögen
von 30 und 50 fl. zusammen, aber kenden beede das Weber Handtwerckh7.

Im Idealfall brachte der Mann ein Haus oder Hausanteil in die Ehe, dazu Roß und Wagen
oder, wenn er Handwerker war, die Produktionsmittel. Zur Aussteuer der Frau zählten
Kleidung und Wäsche, eine Kuh und die Bettstatt, wenn es möglich war, etwas bares Geld. Oft
läßt sich dieses Ideal nur unter großen Abstrichen erreichen, aber auch in den Familien mittleren
und geringen Wohlstands läßt es sich der Brautvater nicht nehmen, der Tochter Kuh, Bettstatt,
Rock und Mantel zu vermachen, wie einer Dochter gebiert, wie es 1612 anläßlich der
Verehelichung von Jerg Rielin und Anna Bosch aus Starzein heißt. In einem anderen Fall (Adam
Kohler, Weber, heiratet 1605 Barbara Hoßin) kann der Brautvater kein Bargeld vererben, er
will der Tochter aber immerhin eine Kuh und die Bettstatt geben und den jungen Eheleuten drei
oder vier Jahre lang jeweils 1 Viertel Hanfsohmen sehen [Hanfsamen säen]; auch hier scheint es
sich um ein Weberehepaar gehandelt zu haben. So wird der Aspekt der wirtschaftlichen

6 Offensichtlich handelt es sich hier um ein ganz spezifisches Phänomen dieses Dorfes, das sich - zwar von
sehr verschiedenen Ansätzen her - über mehrere Jahrhunderte hinweg nachweisen läßt. Karl-Friedrich
Eisele, Studien zur Geschichte der Grafschaft Zollern und ihrer Nachbarn. Stuttgart 1956. S. 46 ermittelt
diese Polarität für das 16. Jh. an Hand der Besitzgrößen, ich selbst fand eine solche Spaltung der
Bevölkerung im 18. Jh. in den Hauptfallabgaben gespiegelt (wie Anm. 3 S. 122ff.).

7 Solche »professionelle Endogamie« unter Webern scheint besonders in Gebieten mit textiler Heimindustrie
verbreitet gewesen zu sein; Kuczynski (wie Anm. 1), Bd. 2, S. 239.

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