Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0042
Casimir Bumiller

bei der Badstube, was den Mittelpunktscharakter dieses Bereiches noch unterstreicht. Die
Baderin, die natürlich besonders auf ihn angewiesen war, wehrte sich heftig, als er 1621 versetzt
werden sollte.

Das Dorf bot dem Durchreisenden einen Anblick wie jeder andere Ort auch. Die großen
Höfe häuften sich um die Mittelpunkte der Siedlung, die stattlichsten und jüngsten unter ihnen
waren erst neuerdings mit Ziegeln eingedeckt worden. Hier wohnten die Vollbauern und
reicheren Gewerbetreibenden, vereinzelt dazwischen kleinere Häuser von Hintersassen und
Tagelöhnern, die jedoch immer mehr vor das Dorf hinausverwiesen werden (so Jacob Deucker
1601). Die meisten Gebäude sind mit Stroh gedeckt, Holzfachwerk bestimmt die Architektur.
Einige Häuser stehen windschief, der nächste Sturm wird sie einfallen lassen. Allerdings kann
man auch sehen, wie der Zimmermann Jahr für Jahr wenigstens ein neues Haus aufrichtet. Die
lehmigen Straßen sind kaum befestigt, Brücken gibt es außer auf der Bruck nicht. Wo die Starzel
seichter ist, führt eine Furt hindurch wie bei der Linde, wo die Ufer höher sind, gibt es Stege.
Die beiden Stege, die das Hochwasser 1604 eingerissen hat, könnte man im Bereich der
Badstube als Zugänge zur Kirche suchen.

Zur Weidezeit trieb der Hirt die Viehherde - um die 300 Stück - Richtung Weiler vor das
Dorf, auf den Dorfstraßen und in den Höfen scharrten unzählige Hühner, in den Gärten
standen Schweine und Geißen und am Bach putzten sich Gänse, die vor allem von den ärmeren
Hintersassen zur Daunengewinnung gehalten wurden.

In den Höfen der großen Bauern kann man sehen, wie Pferde angeschirrt werden;
Fuhrwerke der Handel treibenden Bäcker und Wirte werden gerichtet, sie fahren mit Korn nach
Riedlingen und kommen mit Salz zurück.

Die großen Bauernbetriebe, die Handelsleute, die Wirte und Handwerker brauchen
Arbeitskräfte, Knechte und Mägde, die fest in der Familie leben, Dienstboten, häufig
Tagelöhner für besondere Arbeiten und in der Ernte noch zusätzlich Erntehelfer. Es ist jener
große Teil der Junginger Bevölkerung, der in den kleinen und kleinsten Gebäuden wohnt, der
dieses Arbeitskräfte-Potential stellt, weil ihre Existenzgrundlagen die Ernährung nicht sichern.
Wer in privaten Haushalten keine Anstellung findet, kann evtl. von der Gemeinde angestellt
werden, als Holzfäller oder in den niederen Gemeindeämtern als Hirten, Büttel, Nachtwächter.
Manche sind sogar auswärts in Diensten, so Hans Lebhertz, der gräflicher Diener ist, oder
Vesper Schuhmacher, von dem es heißt, er habe 50 Jahre lang in Tübingen gedient. In der Ernte
helfen die Ledigen und Tagelöhner sogar in Nachbarorten aus - wir fanden 1604 junge Leute aus
Jungingen selbst in Gauselfingen. Aber es scheint auch vorgekommen zu sein, daß Junginger
Bauern in Stoßzeiten keine Helfer finden konnten. So verantwortet sich Michel Hennenlotter
1612, vom Vogt ermahnt, warum seine Felder nicht im Bau seien, daß er kheine Acker leith
bekhommen khend.

In Jungingen stehen sich etwa gleich große Schichten von Hintersassen/Tagelöhnern und
Vollbauern gegenüber. Die Grenze zwischen beiden Schichten verläuft oft mitten durch
Familien. Während Hans Ehemann einer der reichsten und einflußreichsten Männer im Dorf
ist, gehört Jacob Ehemann zu den Armen; Hans Deucker hat wichtige Gemeindeämter inne,
während Jacob Deucker als armer Tagelöhner auftritt; und Bastian Seitz, der Vogt und Wirt,
hat 1625 seinen Neffen, einen besitzlosen Mann, in Diensten. Dies bringt natürlich soziale
Spannungen selbst innerhalb der Sippschaften mit sich, und wenn der Vogt Seitz mit seinem
Neffen streitet, muß man schon damit rechnen, daß Gegenstände durch die Gaststube fliegen.

Die einflußreichsten, d.h. oft die reichsten und mitgliederstärksten Familien hatten die
Fäden der Macht im Dorf in der Hand. Sie stellten die Inhaber des Vogtamts, des Bürgermeisteramts
(Rechnungsführung) oder besetzten das Gericht. Die Wahl in diese Ämter fand
alljährlich im Januar (um Hilari) unter Aufsicht herrschaftlicher Beamter statt. 1607 beispielsweise
stärkten sich die Amtleute für das Jahrgericht mit einem Morgenessen beim Wirt
Gammertinger. Die männlichen Vollbürger mußten beim Jahrgericht anwesend sein, wenn

4C


Zur ersten Seite Eine Seite zurück Eine Seite vor Zur letzten Seite   Seitenansicht vergrößern   Gegen den Uhrzeigersinn drehen Im Uhrzeigersinn drehen   Aktuelle Seite drucken   Schrift verkleinern Schrift vergrößern   Linke Spalte schmaler; 4× -> ausblenden   Linke Spalte breiter/einblenden   Anzeige im DFG-Viewer
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0042