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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0050
Michael Barczyk

um nur einige zu nennen. In den vergangenen Jahren ist ein Entdecken dieser 500 Jahre deutlich
in der historischen Literatur bemerkbar, stellvertretend sei Franz Quarthai genannt4.

Daß die Nachfolgestaaten, das Großherzogtum Baden, die Hohenzollerischen Lande, die
Königreiche Württemberg und Bayern kein Interesse hatten, die österreichische Landeskunde
zu pflegen, liegt auf der Hand. Ziel der Nachfolger war die schnelle Integration der
neuerworbenen Landesteile, die Konsolidierung des neuen Staates und die Identifizierung der
Neubürger mit dem Altstaat, d. h. die Bildung eines eigenen Nationalbewußtseins im Sinne des
19. Jahrhunderts. Die beiden Volkslieder, »Graf Eberhard im Barte« und »Auf der schwäbischen
Eisenbahn« tragen diese Tendenz recht offen zu Markte, »Mein Haupt kann ruhig legen
jedem Untertan in Schoß« und »Stuttgart, Ulm und Biberach, Meckenbeuren, Durlesbach«.

Wie heftig die neue württembergische Regierung auf in ihrem Sinn reaktionäre Umtriebe
reagierte, zeigt der bekannte Rechtsfall der Brüder Göll 1813 in Biberach5 oder die Tatsache,
daß z. B. Waldsee bis 1810 eine Garnisonstadt wurde, bis »von Regierungsseite keine Rebellion
mehr zu befürchten« war6. Da bleibt für österreichische Geschichte kein Platz mehr!

Gegen eine kontinuierliche Geschichtsschreibung spricht aber auch die Tatsache, daß
Vorderösterreich nie eine staatliche Einheit geworden ist, nie eine zentrale Residenz oder gar
Präsenz eines Landesfürsten aufweisen konnte. In seiner staatlichen Entwicklung war es in
seiner Ausbauphase steckengeblieben. So konnte trotz der Bemühungen Kaiserin Maria
Theresias auch kaum ein österreichisches Staats- oder Landesbewußtsein gebildet werden, man
sagte nach wie vor »ich komme aus Schwaben«.

Zwei Gründe können für die Errichtung vorderösterreichischer Herrschaft im deutschen
Südwesten genannt werden: zum einen die Intention König Rudolfs, seine Revindikationspoli-
tik,und zum andern die Intention des Hauses Habsburg, sich eine möglichst große Hausmacht
zu sichern.

Eines der wichtigsten politischen Ziele Rudolfs war, das seit dem Abtreten der Staufer ab
1246 (Schlacht von Frankfurt) entfremdete Reichsgut wieder zurückzufordern. Das Herzogtum
Schwaben sollte neu erstehen, sein Sohn Hartmann künftiger Herzog von Schwaben sein.
Diesen Titel, modifiziert als »Fürst zu Schwaben«, trugen die Habsburger zumindest als
Prätension noch im 19. Jahrhundert.

Während des Interregnums waren die ehemaligen Stauferstädte, die Klöster und die
staufischen Ministerialen, unter denen die Waldburger besonders hervorzuheben sind, so
erstarkt, daß an eine flächenstaatliche Restitution nicht mehr gedacht werden konnte;
Schwaben, das war der klägliche Rest, vereinigt in den Präfekturen, einige Flecken, Städte und
Herrschaften, vor allem in Oberschwaben.

Dennoch: frühe Erwerbungen, u. a. Friedberg, Hohentengen, Scheer, Veringen, Sigmaringen
, die späteren fünf Donaustädte, der Bussen bis hin zu verschiedenen Klostervogteien,
zeigen recht deutlich, daß - der alte Herzogsitz Bussen als Mittelpunkt - das Herzogtum
Schwaben erstehen sollte.

Nach der Belehnung der Söhne Rudolfs 1282 mit den przemyslidischen Herzogtümern
Österreichs konnte durch ein »Vorder«-Österreich eine territoriale Verbindung mit den alten
Stammlanden im Sundgau, im Oberelsaß und in der späteren Schweiz projektiert werden. Ganz

4 Weitere Literatur vgl. Franz Quarthal, Landstände und landständisches Steuerwesen in Schwäbisch-
Österreich. Stuttgart 1980.

5 Die Brüder Göll hatten am 12. Februar 1813 in Biberach Tafeln mit der Inschrift angebracht »Freuet
Euch, ihr schmachtenden Seelen! Österreichs Macht rückt heran, eure Erlösung ist nahe!« Dafür erhielten
sie ein Jahr Festungshaft auf dem Asperg, vgl. Die Württemberger in den Freiheitskriegen (Württembergische
Volksbücher 8) Stuttgart o.J.

6 Egid Fleck, Biberach/Riß und Waldsee als Garnison im jungen Königreich Württemberg. Stuttgart
1941 (Manuskript).

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