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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0129
Die Juden in Hechingen als religiöse Gemeinde

deutschbewußtes Judentum ein. Dessen letzter Vorsitzender war der Rabbinatsverweser Leon
Schmalzbach. Auch der letzte Vorsteher der jüdischen Gemeinde, Herr Emil Weil, gehörte bis
zu seiner Auswanderung Mitte des Jahres 1939 dem Central-Verein als Mitglied an. Die
zionistische Bewegung konnte in Hechingen nicht Fuß fassen. »Die überwiegende Mehrheit der
Juden gehörte dem Centraiverein an oder stand ihm wenigstens nahe, die Weltkriegsteilnehmer
waren im Reichsbund jüdischer Frontsoldaten" zusammengeschlossen« 10°. Der letzte Rabbinatsverweser
gehörte auch diesem als Mitglied an.

»Gleichgültig aber, ob die einzelnen im israelitischen Glauben verwurzelt oder religiös
indifferent waren, sie fühlten sich alle als Angehörige des deutschen Volkes... Der Agitation
des Antisemitismus widersetzte man sich mit aller Entschiedenheit... Man lehnte den
Gedanken einer jüdischen Nation ab. Wohl war Palästina die Heimat der Väter, das Land der
religiösen Sehnsucht, die eigentliche Heimat aber war Deutschland«101. Dies galt in besonderem
Maße für die Hechinger Juden. Allerdings zerbrach der Diaspora-Optimismus unter dem
Einfluß der NS-Verfolgungen'02

Ubergeordnete Vereinigungen

Die israelitische Religionsgemeinschaft in Württemberg wurde durch das Gesetz vom Jahre
1828 eine Staatskirche. Sie hatte dieselben Rechte und Pflichten, wie die anderen öffentlichen
Konfessionen - die evangelische und katholische Kirche. Zunächst trug die Israelitische
Religionsgemeinde in Württemberg den Namen Königliche Israelitische Oberkirchenbehörde.
Aus dieser ging später der Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft hervor. Die
Finanzen des Israelitischen Oberrats wurden von der Israelitischen Zentralkasse geleitet.

Die Bibliothek des Oberrats führte ihren Ursprung auf eine Stiftung der Familie Kaulla, die
in Hechingen eine Jeshibah unterhalten hatte, zurück. Als die Kaullas nach Stuttgart zogen,
gründeten sie beim Oberrat die Bibliothek, die wertvolle Ausgaben enthielt.

Bereits nach dem Gesetz über die Trennung von Staat und Kirche vom 18. März 1924
begannen Verhandlungen, eine jüdische Reichsorganisation zu schaffen. Bis 1933 führten diese
Verhandlungen jedoch zu keinem Erfolg. Erst am 17. Sept. 1933 wurde die Reichsvertretung
der deutschen Juden gegründet103.

99 Verband jüdischer Teilnehmer am 1, Weltkrieg, gegründet 1919, diente vor allem der sportlichen
Ertüchtigung und landwirtschaftlichen Ausbildung seiner Mitglieder. Veröffentlichte die Zeitschrift: Der
Schild und wurde 1938 aufgelöst. (Vgl. KLJ, S. 256).

100 S, S. 14.

101 Ebd. S. 14.

102 Der letzte Rabbiner in Hechingen war Vertreter starker Emanzipationsbestrebungen und prägte das
Gemeindeleben im Sinne des Reformjudentums; der letzte Rabbinatsverweser war - zumindest vor der
massiven NS-Verfolgung - sehr »vaterländisch« orientiert, Deutschtum und Heimatliebe sind bei ihm
erkennbar; die israelitische Gemeinde war zuletzt stark assimiliert. - Der Vorsitzende des Zentralrats der
Juden in Deutschland, Werner Nachmann, sagte in seiner Ansprache am 6. März 1983 in Stuttgart (bei der
Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit) u.a.: »Die Geschichte der gegenseitigen Befruchtung von
Judentum und Christentum und noch mehr die der Mißdeutung ist lang.... Auch die Emanzipationsbestrebungen
des 19. Jahrhunderts reichten bei weitem zum gleichrangigen Dialog zwischen Juden und Christen
in Europa nicht aus. Juden, die als Staatsbürger ihre Rechte durch einen besonderen Patriotismus zu sichern
suchten - Ben Gurion nannte sie deutscher als die Deutschen -, erlebten eine bittere Enttäuschung. Auch
der Verzicht auf das Bekenntnis des Glaubens und der Versuch, sich bis zur Unkenntlichkeit zu
assimilieren, bewahrte sie nicht vor der Gaskammer. Wir müssen uns gerade an diesem Tag bewußt machen,
daß es des radikalen Rassenwahnsinns des Nationalsozialismus bedurfte, der bar jeder Rationalität war, um
das Judentum insgesamt auf seine religiösen Werte zurückzuführen.« (deutschland-berichte. Bonn-Holzlar
April 1983, 19. Jahrgang Nr. 4, S. 16).

103 Vgl. Julius Wissmann, Zur Geschichte der Juden in Württemberg 1924-1939. In: S, S. 196ff.

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