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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0230
Neues Schrifttum

das lapidare Urteil von Hans Koepf 'm seiner »Schwäbischen Kunstgeschichte«, das hier stellvertretend für
die bisherige Rezeption zitiert werden soll: »Die oberschwäbischen Volksmaler sind indes nur Episoden
geblieben wie die einmal viel gerühmte wie inhaltslose Beuroner Kunst des Pater Desiderius Lenz, von der
man zu Unrecht annahm, sie leite eine neue Renaissance der damals arg darniederliegenden sakralen Kunst
ein.« Die »Beuroner Kunstschule« - sie wäre (auch das sollte gesagt werden) ohne den Konvent, ohne den
aus dem Rheinland stammenden und mit den Spätnazarenern vertrauten Abt Maurus Wolter nicht möglich
gewesen. Sie strebten eine Erneuerung des monastischen Lebens an, in deren Mittelpunkt sie die Rückkehr
zu den benediktinischen Regeln stellten, belebten die gregorianische Kirchenmusik und legten großen Wert
auf die Liturgie. Sie wollten das 1864 bezogene und noch barock gestaltete Klaustrum im Donautal diesen
Zielvorstellungen entsprechend gestaltet wissen und beauftragten damit Lenz und Wüger.

Die Ergebnisse der von stupender Quellenkenntnis zeugenden und das Thema abschließend behandelnden
Freiburger kunsthistorischen Dissertation von Harald Siebenmorgen erlauben nunmehr eine viel
differenziertere Sicht der künstlerischen Ideen und Absichten in den Anfangszeiten dieser »Beuroner
Kunstschule« und der sie prägenden Künstler Peter Lenz und Jakob Wüger, ihrer Leistungen und
gegenseitigen Abhängigkeiten. Siebenmorgen hat für diese Arbeit den unbearbeiteten und daher unausge-
schöpften umfänglichen Fundus an schriftlichen und künstlerischen Quellen im Kloster Beuron großenteils
als Erster überhaupt genutzt. Zahlreichen Geldgebern sei Dank, daß sie den auch bibliophil überzeugenden
Druck dieser Arbeit mit reichhaltigem Bild- und Quellenanhang ermöglicht haben.

Unbestrittener künstlerischer und geistiger Führer dieser Malergruppe war in ihren Anfängen Peter
Lenz, einer Tischlerfamilie aus Haigerloch entstammend und »einer der ersten Sezessionisten«, wie Ludwig
Hevesti 1909 über ihn schrieb, dessen Werk »in einer zentralen Vorläuferschaft zur Kunst der Moderne«
steht (S. 9). Seine künstlerische Entwicklung steht im Mittelpunkt des Werkes, sein lebenslanger, aus
Steckborn am Schweizer Bodensee gebürtige Künstlergefährte Wüger wird eher als ein die Hauptperson
illustrierender Antipode gesehen. Lenz und Wüger hatten sich 1851 beim Kunststudium in München
kennengelernt, dem Ort also, in dem seinerzeit die neuesten künstlerischen Strömungen vertreten waren.
1862 zogen sie gemeinsam nach Rom, Lenz mit einem preußischen Stipendium versehen, das ihm Peter
Cornelius verschafft hatte. Bei gemeinsamen Arbeiten für das Redemptoristenkloster S. Alfonso (hier war
Wüger 1863 zum katholischen Glauben übergetreten) beschlossen sie, »künftig ausschließlich nur mehr im
Dienst der kirchlich-religiösen Kunst tätig zu sein«. Aus dieser Zeit stammt auch ihr und der Malerin
Amalie Bensinger Plan für ein Künstlerkloster, »das als Heimstätte und Keimzelle der Pflege der
christlichen Kunst« dienen sollte (S. 61). Trotz dieser geistlichen Gemeinsamkeit trennten sich ihre
künstlerischen Wege: Während sich Wüger immer enger an die die Kunstszene beherrschenden Nazarener
anschloß, beginnt Lenz an seiner bisherigen Arbeit zu zweifeln und sich gegen die Strömungen seiner Zeit
zu wenden. Lange suchte er nach neuen Möglichkeiten: »Für Themen, die ins Übersinnlich-Unbegreifliche
reichen, für deren Macht und Größe wir keinen Maßstab unter uns haben, gehört der hohe, der
geheimnisvolle mathematische Stil« (S. 76). So eine seiner Schlußfolgerungen und auch: Kunst dürfe die
Natur nicht nachahmen. »Da die empirische Gegenstandwelt materiell und rational durchherrscht« sei, sei
sie deswegen »untauglich geworden zur Wiedergabe idealer, religiöser Bildinhalte« (S. 251). Konsequent
erkor er zu seinen Stilmitteln: die Geometrie, Aufhebung der perspektivischen Illusion und der Dreidimen-
sionalität, Kontur und Silhouette, Typisierung, Symmetrie und Axialität. Der Gegensatz zu den Nazarener
wird sofort deutlich, wenn man an die Forderung von Johann Friedrich Overbeck erinnert: »Die Natur ist
und bleibt die einzige Lehrmeisterin des Künstlers«. Lenz fand schließlich die entscheidenden Anregungen
für seine künstlerischen Ziele in der ägyptischen Kunst, nicht ihrer Motivik wegen, sondern wegen ihres
Charakters »einer archaischen Ursprünglichkeit, wie ihn eine spätere Avantgarde ebenso in den außereuropäischen
primitiven Kulturen zu finden suchte« (S. 246/7). Das Jahr 1868 führte ihn - auf Vermittlung von
Amalie Bensinger - erstmals nach Beuron. Er errichtete dort für die Fürstin Caterine von Hohenzollern-
Sigmaringen das Landhaus St. Maurus im Felde, der damaligen Schweizerhausmode nachempfunden, und
die Mauruskapelle. Für die Gestaltung dieses geistlichen Ortes fand er lange keine Anerkennung. Zu Recht
aber stellt Siebenmorgen Entstehung, Beschreibung und Würdigung der Kapelle in den Mittelpunkt seiner
Ausführungen, ist sie doch das einzige von Lenz vollendete Gesamtkunstwerk. Wüger fertigte hierzu die
Wandmalereien. Doch während dieser seitdem in Beuron verblieb, zog es Lenz zunächst noch einmal fort.
Aber auch in Berlin fand er keine Anerkennung für seine revolutionären künstlerischen Ziele und kehrte
schließlich 1872 nach Beuron zurück, wo er sich dem Kloster als Oblate anschloß, dem Wüger im April
1872 bereits beigetreten war. Die Anfänge der »Beuroner Kunstschule« fanden ihr Ende einerseits mit der
Entscheidung von Abt Maurus Wolter über die divergierenden Kunstauffassungen von Lenz und Wüger
zugunsten des letzteren: »Fr. Gabriel (i.e.: Wüger) müsse den mathematischen Zeichnungen des Herrn


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