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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/zhg1984/0235
Besprechungen

entschieden der These, daß die Lörracher Unruhen eine von der KPD angezettelte, politisch motivierte
revolutionäre Bewegung gewesen sei, wie dies etwa die badische Regierung oder auch der Staatsgerichtshof
sahen, der Ende 1924 die Aktivisten der Bewegung aburteilte. »Soziale und wirtschaftliche Not veranlaßte
die Arbeiterschaft zu verzweifelten Existenzkämpfen, keinesfalls die kommunistische Propaganda«
(S. 120).

Der gleiche Autor beschreibt in seinem zweiten Beitrag »Die Ausschaltung der Arbeiterbewegung
durch den Nationalsozialismus im Frühjahr 1933«. Anhand eines ereignisgeschichtlichen Abrisses der
Monate Januar bis Mai 1933 zeigt er, wie sich die Nationalsozialisten »sehr geschickt auch lokale Ereignisse
zunutze zu machen verstanden« (S. 127). So führte der propagandistisch aufgeblasene Fund von Waffen im
Freiburger Gewerkschaftshaus (ein Armeerevolver und ein verrosteter Säbel) bereits am 9. März zur
polizeilichen Schließung des Gewerkschaftshauses, lange vor der reichsweiten Durchführung dieser
Maßnahme am 2. Mai 1933. Die tödlichen Schüsse des SPD-Landtagsabgeordneten Nußbaum auf zwei
Polizeibeamte, die seine Wohnung durchsuchen wollten, gaben am 17. März den Nationalsozialisten den
Vorwand, in ganz Baden zum vernichtenden Schlag gegen die Arbeiterbewegung auszuholen: Alle
führenden Funktionäre und Abgeordneten von SPD und KPD wurden verhaftet, Presseorgane, Jugendverbände
und Vereine der Arbeiterbewegung verboten und aufgelöst. »Damit war - schneller als im übrigen
Reich - die Arbeiterbewegung in Baden faktisch ausgeschaltet« (S. 135). Der Widerstand gegen diese
Ausschaltung blieb gering. Auch in der Stunde der Gefahr konnten sich SPD und KPD nicht zu einer
gemeinsamen Abwehrfront gegen den Nationalsozialismus zusammenschließen.

Erst unter der NS-Diktatur fanden die verfeindeten Arbeiterparteien wieder zusammen. Achim Oßwald
skizziert in einem kurzen Ausblick auf »Die Arbeiterbewegung im >Dritten Reich«« die Bemühungen des
Nationalsozialismus um die Arbeiterschaft. Die Anfänge des organisierten Widerstands in den Jahren 1934/
35 dokumentiert er mit zwei bewegenden Aufrufen, die von sozialdemokratischen und kommunistischen
Untergrundorganisationen gemeinsam unterzeichnet sind.

Insgesamt ist der Band gut mit Illustrationen, Dokumenten, Karten und Tabellen versehen. Die
graphische Gestaltung läßt dagegen manche Wünsche offen: So sind Bildunterschriften manchmal nicht klar
zuzuordnen, eine Doppelseite zum Thema >Freizeit und Arbeiten - übrigens der einzige Beitrag zur
Arbeitervereinskultur im Band - ist ohne erkennbaren Bezug mitten in einen Aufsatz hineinmontiert.
Kritisch ist auch die teilweise fehlende Datierung der Fotos anzumerken (z.B. S. 35, 53, 66, 73, 74). Ein
Manko sind ferner die häufiger vorkommenden Sekundärzitate. Wenn z. B. Friedrich Engels bemüht wird,
um die in Baden ungünstigen Voraussetzungen für das Entstehen einer selbständigen Arbeiterpartei aufzuzählen
(S. 39), so wüßte man gerne auch ohne beim angegebenen Franz Xaver Vollmer nachzuschlagen,
um was für einen Text von Engels es sich hier handelt, ein Ansinnen, das wohl kaum unbillig sein dürfte.

Zusammenfassend läßt sich festhalten, daß der Band einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zu einer
neuen Regionalgeschichte, wie nicht nur Heiko Haumann sie sich vorstellt, leistet. Haumanns Postulate
sind jedoch keineswegs voll verwirklicht, er selbst sieht das Buch eher »als Anstoß zu weiteren
Bemühungen, die ernst machen mit einem Geschichtsverständnis, nicht von oben mit der Brille des
Spezialisten die Betroffenen als Objekte zu analysieren, sondern zu versuchen, auch aus deren Sicht die
Verhältnisse wie die Vorgänge zu sehen« (S. 13). Immer dort, wo dies versucht wurde, wo die Autoren
ausgehend vom konkreten lokalen bzw. regionalen Material Sachverhalte und Ereignisse entwickeln, liegen
die Stärken des Buches; etwa bei der Veränderung der sozialen Topographie Freiburgs, beim System des
>Paternalismus< von >Vater Mez<, bei der Schilderung des Textilarbeiterstreiks 1921 und der Lörracher
Unruhen 1923. Am besten gefallen hat dem Rezensenten der Beitrag von Kluge, der geschickt die
Schilderung der sozialen Situation der Kriegs- und Inflationsjahre mit der politischen Geschichte der
Sozialdemokratie verknüpft und dabei auch überlokale Fragestellungen miteinbezieht. Hoffen wir, daß der
Arbeitskreis Regionalgeschichte Freiburg in diesem Sinne weiter»gräbt«!

Konstanz Dieter Schott

Manfred Overesch, Friedrich Wilhelm Saal: Die Weimarer Republik. Düsseldorf 1982.

Manfred Overesch, Friedrich Wilhelm Saal: Das Dritte Reich 1933-1939. Düsseldorf 1982.

(Droste Geschichts-Kalendarium. Chronik deutscher Zeitgeschichte. Politik-Wirtschaft-Kultur.

Band 1, Band 2/1).

Die beiden von Manfred Overesch und Friedrich Wilhelm Saal herausgegebenen Chroniken deutscher
Zeitgeschichte, die sich mit der Weimarer Republik und den ersten sechs Jahren des Dritten Reiches bis zum

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